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Haben oder Nichthaben

Haben oder Nichthaben

Titel: Haben oder Nichthaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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fünf schlechten und dem einen guten Lokal, zwei Zeitungs-und Papierwarenhandlungen, vier Altwarengeschäften (von denen eines Schlüssel machte), einem Fotografen, einem Geschäftshaus, in dem vier Zahnärzte praktizierten, dem großen Zehn-Cent-Basar, einem Hotel an der Ecke, mit Taxis davor, und gegenüber, hinter dem Hotel, in die Straße, die in das Bordellviertel führte, zu dem großen, ungestrichenen Holzhaus mit Licht und den Mädchen in den Türen, dem mechanischen Klavier, das spielte, und einem Matrosen, der mitten auf der Straße saß, und dann dahinter, an der Rückseite von dem backsteinernen Gerichtsgebäude mit seiner erleuchteten Uhr, die auf halb elf stand, vorbei, an dem weißgetünchten Gefängnisgebäude vorbei, das im Mondlicht glänzte, zu dem Laubeneingang von Lilac Time, wo Autos die Seitenstraßen füllten.
    Das Lilac Time war hell erleuchtet und voll mit Leuten, und als Richard Gordon hineinging, sah er, daß das Spielzimmer gestopft voll war; das Rad drehte sich, und die kleine Kugel klickte spröde gegen die metallenen Felder des Roulettes; das Rad drehte sich langsam; die Kugel schwirrte, dann klickte sie, als sie hopste, bis sie liegen blieb, und dann hörte man nur noch das Drehen des Rades und das Klappern der Spielmarken. An der Theke sagte der Besitzer, der mit zwei Barkellnern zusammen bediente: «Allo, allo, Mist’ Gordon. Was bekommen Sie?»
    «Ich weiß nicht», sagte Richard Gordon.
    «Sie sehen nicht wohl aus. Was ist los? Fühlen Sie sich nicht wohl?»
    «Nein.»
    «Ich mixe Ihnen was Fabelhaftes zusammen. Hilft sofort, okay. Haben Sie mal spanischen Absinth, ojen, getrunken?»
    «Geben Sie mir einen», sagte Gordon.
    «Trinken Sie das, und Sie fühlen sich wohl. Dann können Sie es mit jedem im Haus aufnehmen», sagte der Besitzer. «Einen ojen spezial für Mister Gordon.»
    Richard Gordon stand an der Bar und trank drei ojen spezial, fühlte sich aber nicht wohler. Er fühlte sich nach dem milchigen, süßlichen, kalten, nach Lakritzen schmeckenden Getränk unverändert.
    «Geben Sie mir was anderes», sagte er zu dem Barkellner.
    «Was ist los? Schmeckt der ojen spezial nicht?» fragte der Besitzer. «Fühlen Sie sich nicht wohl?»
    «Nein.»
    «Sie müssen vorsichtig sein, was Sie danach trinken.»
    «Geben Sie mir einen Whiskey ohne.»
    Der Whiskey wärmte seine Zunge und seine Kehle, aber seine Gedanken blieben unverändert die gleichen, und plötzlich, als er sich selbst im Spiegel hinter der Theke betrachtete, wußte er, daß Trinken ihm jetzt gar nichts nutzen würde. Das, was er jetzt hatte, das hatte er, und das war von jetzt an da, und wenn er sich bewußtlos trank, wenn er aufwachte, würde es da sein.
    Ein großer, sehr dünner junger Mann mit spärlichen blonden Bartstoppeln am Kinn, der neben ihm an der Bar stand, sagte: «Sind Sie nicht Richard Gordon?»
    «Ja.»
    «Ich bin Herbert Spellman. Ich glaube, wir haben uns mal auf einer Gesellschaft in Brooklyn getroffen.»
    «Kann sein», sagte Richard Gordon. «Warum nicht?»
    «Ihr letztes Buch hat mir sehr gefallen», sagte Spellman. «Sie haben mir alle gefallen.»
    «Das freut mich», sagte Richard Gordon. «Trinken Sie was?»
    «Trinken Sie was mit mir», sagte Spellman. «Haben Sie den ojen hier schon probiert?»
    «Hilft mir nichts.»
    «Was ist denn los?»
    «Bin nicht auf der Höhe.»
    «Wollen Sie nicht noch einen versuchen?»
    «Nein. Ich trinke Whiskey.»
    «Wissen Sie, das ist eine große Sache für mich, Sie kennenzulernen», sagte Spellman. «Sie erinnern sich wohl nicht an mich auf dieser Gesellschaft?»
    «Nein, aber vielleicht war das damals ein gelungener Abend, und an gelungene Abende soll man sich ja nicht erinnern, was?»
    «Wahrscheinlich nicht», sagte Spellman. «Es war bei Margaret Van Brunt. Erinnern Sie sich?» fragte er hoffnungsvoll.
    «Ich bemühe mich gerade.»
    «Ich war der, der das Haus in Brand gesteckt hat», sagte Spellman.
    «Nein!»
    «Jawohl», sagte Spellman strahlend. «Das war ich. Das war der fabelhafteste Abend, den ich je mitgemacht habe.»
    «Was machen Sie denn jetzt?» fragte Gordon.
    «Nicht viel», sagte Spellman. «Ich hab ziemlich viel vor, aber ich laß die Sachen jetzt an mich herankommen. Schreiben Sie ein neues Buch?»
    «Ja. Es ist ungefähr halb fertig.»
    «Großartig», sagte Spellman. «Wovon handelt es?»
    «Von einem Streik in einer Textilfabrik.»
    «Das ist wunderbar», sagte Spellman. «Wissen Sie, ich verschlinge alles, was soziale Konflikte

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