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Haben oder Nichthaben

Haben oder Nichthaben

Titel: Haben oder Nichthaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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seinen Mund.
    «Also so eine Sorte Mann bist du», hatte sie zu ihm gesagt. «Ich dachte, du seist ein Mann von Welt. Mach, daß du rauskommst!»
    Das war diesen Nachmittag gewesen. So hatte es bei den Bradleys geendet.

    Jetzt saß seine Frau da, mit dem Kopf vornüber auf ihren Händen, die auf dem Tisch ruhten, und keiner von beiden sagte etwas. Richard Gordon konnte die Uhr ticken hören, und die Leere in ihm war so groß wie die Stille des Zimmers. Nach einer Weile sagte seine Frau, ohne ihn anzusehen: «Es tut mir leid, daß es geschehen ist. Aber du verstehst, daß es vorbei ist, nicht wahr?»
    «Ja, wenn es so gewesen ist.»
    «Es ist nicht immer so gewesen, aber es ist schon lange so.»
    «Es tut mir leid, daß ich dich geschlagen habe.»
    «Ach, das macht nichts. Das hat nichts damit zu tun. Das war nur eine Art, Adieu zu sagen.»
    «Nicht doch.»
    «Ich muß gehen», sagte sie müde. «Ich muß, glaube ich, die große Reisetasche nehmen.»
    «Mach’s morgen früh», sagte er. «Du kannst doch alles morgen früh tun.»
    «Ich tu’s lieber jetzt, Dick. Es ist jetzt leichter. Aber ich bin so müde. Es hat mich schrecklich müde gemacht, und ich hab Kopfweh davon bekommen.»
    «Mach’s, wie’s dir am liebsten ist.»
    «Mein Gott», sagte sie. «Ich wünschte, es wäre nicht passiert. Aber es ist geschehen. Ich werde versuchen, alles für dich zu arrangieren. Du brauchst jemanden, der für dich sorgt. Wenn ich manches von dem nicht gesagt hätte, oder wenn du mich nicht geschlagen hättest, vielleicht hätten wir es wieder beilegen können.»
    «Nein, es war schon vorher aus.»
    «Du tust mir so leid, Dick.»
    «Sag das nicht, sonst schlag ich dich noch einmal.»
    «Wahrscheinlich wäre mir wohler, wenn du mich schlagen würdest», sagte sie. «Du tust mir leid. Wirklich.»
    «Geh zum Teufel!»
    «Es tut mir leid, daß ich gesagt habe, daß du im Bett nichts taugst. Davon versteh ich nichts. Wahrscheinlich bist du wunderbar.»
    «Du bist auch kein solcher Star.»
    Sie fing von neuem zu weinen an.
    «Das ist schlimmer als Schläge», sagte sie.
    «Na, und was hast du gesagt?»
    «Ich weiß nicht. Ich erinnere mich nicht. Ich war so wütend und du hast mir so weh getan.»
    «Na, wo’s aus ist, brauchen wir ja nicht so zu reden.»
    «Ach, ich will nicht, daß es aus ist. Aber es ist aus, und man kann jetzt nichts daran ändern.»
    «Du wirst deinen angesäuselten Professor kriegen.»
    «Nicht», sagte sie. «Können wir denn nicht einfach still sein und nichts mehr sagen?»
    «Ja.»
    «Willst du?»
    «Ja.»
    «Ich werde hier draußen schlafen.»
    «Nein, du kannst das Bett haben. Ich gehe eine Weile fort.»
    «Ach, geh doch nicht fort.»
    «Ich muß», sagte er.
    «Leb wohl», sagte sie, und er sah ihr Gesicht, das er so sehr liebte, das vom Weinen nicht verdorben wurde, und ihr schwarzes, gelocktes Haar, ihre kleinen, festen Brüste unter dem Sweater gegen die Tischkante, und er sah nicht das übrige von ihr, das er so geliebt hatte, und von dem er geglaubt hatte, daß es ihm angenehm gewesen war, aber dem er offensichtlich nicht gefallen hatte, das unterm Tisch war, und als er zur Tür hinausging, sah sie ihn an über den Tisch hinweg, und sie hatte ihr Kinn in die Hände gestützt, und sie weinte.

14
    Er ließ sein Fahrrad zu Hause und ging zu Fuß die Straße hinunter. Der Mond war jetzt aufgegangen, und die Bäume hoben sich dunkel gegen ihn ab, und er kam an den Holzhäusern mit ihren engen Höfen vorbei, wo Licht aus den mit Laden versehenen Fenstern fiel, an den ungepflasterten Seitenstraßen mit den doppelten Häuserreihen: Conchtown, wo alles frischgestärkt und hinter Fensterladen wohl verborgen war, Tugend, Mißerfolg, Hafergrütze und gekochtem Fisch, Unterernährung, Vorurteil, Pharisäertum, Inzucht und die Tröstungen der Religion, an den offentürigen, erleuchteten, kubanischen Bolito-Häusern, Bretterbuden, deren einzige Romantik ihr Name war: ‹Das rote Haus›, ‹Chika›, an der Zementsteinkirche, ihren Türmen, scharfen, häßlichen Dreiecken im Mondlicht, an den weiten Parkflächen und der ausgedehnten, schwarzen Masse des Klosters, anziehend im Mondlicht, an einer Tankstelle und einer Imbißstube, hell beleuchtet neben einem leeren Grundstück, wo man einen Miniaturgolfplatz angelegt hatte, an der hellerleuchteten Hauptstraße vorbei mit den drei Drugstores, dem Musikladen, den fünf jüdischen Geschäften, drei Billardsälen, zwei Friseurläden, fünf Bierkneipen, drei Eisdielen,

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