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Haben Sie das von Georgia gehoert

Haben Sie das von Georgia gehoert

Titel: Haben Sie das von Georgia gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Childress
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ganze Woche hatte sie sich darauf gefreut, nachdem sie in der Sonntagsausgabe des Light-Pilot gesehen hatte, dass sie im Programm stand. Sie war versessen auf Dokumentarfilme über Ameisen und freute sich über jede Gelegenheit, ihre große Theorie über den Ameisenverband weiter auszuschmücken. Nach gerade zehn Minuten hatte die Kamera sich auf eine Meute besonders mordlustiger Ameisen gerichtet, die einen bleichen, zappelnden weißen Wurm aus der Erde wühlten.
    Die Ameisen fielen über den blinden, wehrlosen Wurm her, testeten seine Wurmhaut mit ihren grausamen Beißwerkzeugen und suchten nach den weichen Stellen zwischen den Segmenten. Georgia stieß immer wieder leise Schreie aus: »Oh! Der arme Wurm! Der arme Wurm!«
    Der Wurm wand sich und versuchte seine Peiniger abzuschütteln, aber ihre abscheulichen Kiefer bissen gnadenlos zu und fraßen die weichen Eingeweide von innen nach außen. Bei diesem Anblick kam Georgia die Galle hoch. Hastig stürzte sie sich auf die Fernbedienung und schaltete den Apparat aus!

    Eine Zeit lang saß sie im Dunkeln, atmete ein und aus und bemühte sich, den Brechreiz zu unterdrücken.
    Sie brauchte eine halbe Flasche Chardonnay und drei Excedrin-Tabletten, um an diesem Abend einzuschlafen, und dann fiel sie in unruhigen Schlaf, aus dem sie morgens noch erschöpfter aufwachte.
    »Ich hab gestern Abend einen schrecklichen Film über Ameisen gesehen«, sagte sie, nur um eine lebendige Stimme im Wagen zu hören.
    »Wieso hast du es dir dann angeguckt?«, fragte Mama.
    »Normalerweise mag ich Ameisen«, antwortete Georgia. »Aber nicht diese.«
    »Warum nicht?«
    »Weil sie bösartig waren«, erklärte Georgia. »Sie sind alle zusammen über einen einzigen Wurm hergefallen.«
    »Du solltest dir so was nicht anschauen, wenn es dich belastet«, meinte Mama.
    »Aber ich liebe Ameisen«, sagte Georgia. »Normalerweise.«
    Nach einer langen Pause fragte Mama: »Wo fahren wir hin?«
    »Nach Hause.«
    »Geht das nicht schneller?«
    »Nein, Mama. Das ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit.«
    »Worüber haben wir vorhin gesprochen?«
    »Über die Musik im Radio«, sagte Georgia. »Von den Supremes.«
    »Die Supremes hab ich immer gemocht«, sagte Little Mama.
    Wenn sie nicht im Dunkeln auf einer kurvenreichen Straße
unterwegs gewesen wäre, hätte Georgia jetzt angehalten, nur um sie anzusehen. »Du hast was ?«
    »Ich habe gesagt, ich mag die Supremes.«
    »Die Gesangsgruppe?«, fragte Georgia. »Diana Ross and the Supremes?«
    »Genau«, sagte Mama. »Ich mag ihre Lieder.«
    »Oh, Mama, das stimmt nicht«, sagte Georgia beinahe tadelnd. »Du weißt, dass die Supremes farbig sind.«
    »Na und?«, fragte Little Mama.
    »Na und? Du magst keine Farbigen, das ist alles.« So lange Georgia zurückdenken konnte, war das Auftreten eines schwarzen Entertainers im Fernsehen für Little Mama jedes Mal ein Anlass, leise fluchend den Sender zu wechseln.
    »Erzähl du mir nicht, was ich mag und was ich nicht mag«, sagte Mama.
    Georgia war verblüfft. Schwarze nicht zu mögen, das war Little Mamas große Herzensangelegenheit. Es berührte den Kern dessen, was sie war.
    Zumindest für den Moment schien sie das völlig vergessen zu haben.
    »Und was ist mit Nat King Cole?«, fragte Georgia.
    »Was soll mit dem sein?«
    »Magst du den auch?«
    »Ja. Das Lied von den Segelbooten im Sonnenuntergang …« Jetzt summte sie sogar ein kleines Stück von der Melodie.
    »Oh, Mama, du machst dich über mich lustig.«
    »Ich enttäusche dich nur ungern«, sagte Mama, »aber ich bin nicht deine Mutter.« Ihr Ton war freundlich, als wollte sie ihr die Neuigkeit behutsam beibringen. »Ich hatte nie eigene Kinder.«

    »Geht’s dir gut?«, fragte Georgia.
    »Bestens. Und dir?«
    »Müssen wir ins Krankenhaus?«
    »Ich glaube nicht«, sagte Mama. »Wo bringst du mich hin?«
    »Nach Hause.«

12
    Georgia zog sich dreimal um, ehe sie sich für das strukturierte Strickkostüm von St. John entschied. Die Farbe war ein besonders heißes Pink namens »Pfingstrose«, und die Jacke war tailliert geschnitten und betonte ihre Figur. Der gerade Rock endete in einer sexy Linie über dem Knie. Es war ausgeschlossen, dass Brent Colgate den Blick über seine neue Gemeinde wandern ließ und sie dabei nicht bemerkte.
    Sie hatte nicht damit gerechnet, dass die Nachricht von dem gut aussehenden neuen Pastor sich wie ein Lauffeuer in Six Points verbreiten und den größten Anstieg der Besucherzahlen im Sonntagsgottesdienst in der

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