Haben Sie das von Georgia gehoert
Manchmal war Mamas Gedächtnisverfall beinahe ein Segen. Unversehens wünschte Georgia, sie könnte sich an einer milden Variante anstecken, nur für einen Nachmittag.
Als sie am Pfarrhaus der First Baptist Church vorbeifuhren, sah sie Brent Colgate in der Einfahrt stehen, immer noch im hellgrünen Anzug. Er hob einen Karton aus dem Kofferraum seines K-Car. »Wow, sieh dir das an«, sagte Krystal. »Ich glaube, ich muss Baptistin werden.«
»Ich danke dem Berufungsausschuss aus tiefstem Herzen«, sagte Georgia zustimmend. »Hör mal, Krystal – glaubst du, du könntest in Montgomery anrufen? Du weißt, ich frage sehr ungern. Ich bitte dich nie, dich in den Schlamassel
einzumischen, den Brother anrichtet. Aber das hier spielt sich auf Staatsebene ab. Da habe ich absolut keine Beziehungen.«
»Ich habe mich schon gefragt, wen ich anrufen könnte«, sagte Krystal. »Ich kenne immerhin den Direktor des Amts für Öffentliche Sicherheit. Der ist zwar nicht der direkte Vorgesetzte dieser Typen, aber er wird wissen, mit wem wir reden können.«
»Das wäre fabelhaft«, meinte Georgia. »Was für ein Glück ich habe: Meine beste Freundin ist auch Bürgermeisterin.«
Nach einer bedeutungsschwangeren Pause sagte Krystal: »Vielleicht nicht mehr lange.«
»Was soll das heißen?«
»Du weißt, dass ich im September zur Wiederwahl antrete.«
»Natürlich. Ohne Konkurrenz, wie immer.«
»Die Meldefrist für Kandidaten endete gestern Nachmittag um fünf. Und wie sich herausstellte, habe ich doch Konkurrenz.« Krystal schaute lächelnd aus dem Fenster und genoss ihre Geheimniskrämerei.
»Du machst Witze. Wer ist es?«
»Madeline Roudy.«
Georgias Unterkiefer klappte herunter.
»Pass auf, der Wagen da …« Krystal griff ins Steuer und lenkte den Wagen geschickt um einen Cadillac herum, der vom Parkplatz des Schnellrestaurants kam.
»Danke … Madeline kandidiert gegen dich? Kann sie das denn?«
»Natürlich kann sie das.« Krystals Lächeln wurde schmaler. »Ich hab sie ja eingemeindet. Wenn sie sich alle einig sind, haben sie genug Stimmen, um sie zu wählen – und weshalb
sollten sie es nicht sein? Ich wusste, dass es irgendwann dazu kommen würde, aber ich hatte gehofft, sie würden mir zum Dank wenigstens noch eine oder zwei Wahlperioden Zeit lassen, bevor sie mich rausschmeißen.«
»Krystal, du bist die beste Freundin, die sie in dieser Stadt haben. Wer sonst hat denn für die Eingemeindung gekämpft?«
»Sie finden nicht, dass sie mir was schuldig sind. Und weißt du was? Sie haben recht. Wie auch immer – bei mir bist du an der falschen Adresse. Lass mich bitte aussteigen. Ich muss was tun für die Menschen hier, solange ich den Job noch habe.«
Krystal war erstaunlich vergnügt, aber Georgia wusste, dass sie niedergeschlagen sein musste. Bürgermeisterin von Six Points zu sein, war das Einzige, was Krystal sich je wirklich gewünscht hatte. In dem Wirbel um die Eingemeindung hatte Georgia nicht erkannt, dass sie damit wissentlich die Möglichkeit schuf, aus dem Job gedrängt zu werden.
Madeline Roudy?
Eine beeindruckende Frau. Eine Kinderärztin, die für arme kranke Kinder arbeitete. Genau die Person, die man sich als ersten schwarzen Bürgermeister für Six Points wünschen würde.
Krystal hatte überhaupt keine Chance.
Genau wie Brother.
Und dieser neue Pastor, Brent Colgate? Der hatte auch keine Chance.
Der Stärkere überlebte, das war ein Naturgesetz. Das kann man mir nicht vorwerfen, dachte Georgia. Die Welt war schon so, als ich kam.
11
Als sie im Dunkeln vom Gefängnis nach Hause fuhr, schaltete sie das Radio ein und wartete auf das nächste Stück: Der Beat geht los, das whick-it whick-it der elektrischen Gitarre, ein dreckiger Bläsersatz, und der elektronische Phasersound des Mixers bringt uns geradewegs zu den Girls, nur dass die Girls nicht mehr Backup für Diana singen, denn Diana hat sie auf dem Arsch sitzen lassen und macht ihre Solokarriere, hat sie in einer filmstarmäßigen Wolke aus Goldstaub zurückgelassen, sodass Mary und Cindy versuchen mussten, sie durch einen anderen dünnen Zittersopran zu ersetzen, durch Jean Terrell … Der Song heißt »Nathan Jones«, und vielleicht, weil Georgia ihn zum ersten Mal seit Jahren und in einem guten Autoradio wiederhört, ist er absolut überirdisch – das Beste, was die Supremes je gemacht haben. Kann das sein? Dass die Supremes nach Diana besser wurden?
Man hört, dass die Girls versuchen, jede Erinnerung an Diana
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