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Haben Sie das von Georgia gehoert

Haben Sie das von Georgia gehoert

Titel: Haben Sie das von Georgia gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Childress
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Ist das nicht ein Hinweis auf einen Charakterfehler? Was nutzt es, recht zu haben, wenn du niemanden überzeugen kannst? Wenn alle dich ignorieren? Dann kannst du genauso gut auch unrecht haben.
    Sie dachte aber auch: Ich liebe Krystal sehr. Doch wenn man Krystal liebt, weiß man, dass sie manchmal ein dämlicher Sturkopf sein kann.
    Nachdem es ihr nicht gelungen war, sie zu bremsen, hatte sie als ihre beste Freundin jetzt die Aufgabe, ruhig sitzen zu bleiben und zuzusehen, wie Krystal sich zum Narren machte. Und immer noch ihre Freundin zu sein, wenn alles vorbei wäre.
    »Manchmal glaubt man einen Menschen zu kennen«, begann Krystal. »Eine Person, in deren Nähe man sein ganzes Leben verbracht hat. Man trifft sie auf der Straße, sagt hallo und denkt, hey, ist sie nicht nett? Und dann stellt man fest,
dass sie eine Seite hat, die man eigentlich überhaupt nicht kannte. Ladys, ich wünschte, Madeline Roudy wäre hiergeblieben und hätte sich gestellt, aber ich nehme an, sie ist gegangen, weil sie wusste, was kommt. Ehrlich gesagt, ich glaube, sie hatte nicht den Mut zum Bleiben. Weil ich hier bin, um Ihnen zu sagen, dass Madeline Roudy nicht ganz die Person ist, die Sie zu kennen glauben.«
    So fing es an. Und von da an ging es bergab.
    Ab und zu sah es so aus, als wäre Krystal kurz davor, einen handfesten Vorwurf zu erheben – eine kriminelle Vergangenheit oder wenigstens eine miese Ehescheidung –, aber dann schwenkte sie wieder ab und hinterließ nichts als nebelhafte Andeutungen. Ohne es wirklich auszusprechen, implizierte sie, dass Madeline Roudy auf irgendeine Weise ruchlos sei, eine Lügnerin, die sich verstellte.
    Überall auf den Plätzen um Georgia herum brachen nervöse Tics aus. Evelyn Manning stützte den Kopf auf den Zeigefinger, als wäre er eine Pistole, die sie gern benutzen würde. Niemand wollte hören, wie die Bürgermeisterin über die nette schwarze Ärztin herzog. Krystal führte ihren Frontalangriff durch, als wäre Dr. Roudy noch hier und könnte sich verteidigen – und das war ein gewaltiger Fehler.
    Georgia verschloss ihre Ohren. Sie konnte nicht einen Augenblick länger zuhören. Einer wahren Freundin blieb nichts anderes übrig, als ihre Freundin jetzt auszublenden.
    Die Rede dauerte noch ungefähr einen Monat. Ein paar Satzfetzen drangen in Georgias Ohren, obwohl sie sich bemühte, sie fernzuhalten: »… Schande über die ganze Gemeinde gebracht …«, und später: »… ohne den geringsten Beweis des Gegenteils!«
    Arme Krystal. Schade, aber du wirst nicht mehr Bürgermeisterin
werden. Das ist okay. Wir finden einen guten Job für dich, einen besseren Job, in dem du nicht wie eine Sklavin abends und an den Wochenenden für eine undankbare Bürgerschaft schuften musst. Und dir wünsche ich viel Glück, Madeline Roudy!, dachte Georgia verbittert. Du wirst dir noch wünschen, einen einfachen Job in einer Klinik voll kranker Kinder zu haben.
    Als Krystals Rede zu Ende war, saßen sogar die Damen, an deren Haltung sonst nichts auszusetzen war, zusammengesunken auf ihren Stühlen. Die Kekse lagen platt auf den Tellern, und die Bowle sprudelte nicht mehr.
    Niemand klatschte, niemand stellte eine Frage. Niemand wollte das Elend auch nur um eine Sekunde verlängern. Krystal dankte allen dafür, dass sie gekommen waren. Die Damen lächelten schmal und stürmten dann alle gleichzeitig zur Tür, um schnell zu verschwinden. Mehrere schoben sich noch an Georgia heran und murmelten etwas wie: »Sie hätte auf dich hören sollen«, aber das ging ihr nur noch auf die Nerven. Wo waren sie denn gewesen, als sie den Kopf hingehalten hatte?
    An den pfeilspitzen Blicken, die Krystal ihr zuwarf, erkannte Georgia, dass sie immer noch wütend war. Kein Wunder. Sie hatte versagt, und jetzt brauchte sie jemanden, dem sie die Schuld geben konnte. In einer solchen Situation bleibt eine beste Freundin da, bis alle anderen weg sind, damit Krystal toben und zetern und sie mit Vorwürfen überschütten kann. Deswegen jedenfalls blieb Georgia noch – um über sich ergehen zu lassen, was ganz sicher kommen würde. Dank erwartete sie jedenfalls keinen.
    Krystal ging über den strapazierfähigen Teppichboden auf sie zu und streckte ihr die Hand entgegen wie eine Politikerin,
die sich vorstellen wollte. »Ich möchte dir danken«, sagte sie und drückte Georgias Hand mit festem Griff. »Danke, dass du mir gezeigt hast, wer du wirklich bist. Ich hätte es nie geglaubt. Aber jetzt glaube ich es.«
    Georgia war

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