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Haben Sie das von Georgia gehoert

Haben Sie das von Georgia gehoert

Titel: Haben Sie das von Georgia gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Childress
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fette Fördermittel vom Staat beschafft, mit denen sie sämtliche Straßen der Stadt neu asphaltieren lassen konnte, und die Voraussetzungen für einen neuen Büropark an der Straße nach Andalusia geschaffen. Wenn die Bürger von Six Points eine fleißige, kompetente Bürgermeisterin haben wollten, würden sie Krystal wählen. Wenn sie eine glamouröse Ärztin mit leicht vorstehenden Zähnen wollten, die aussah wie ein Filmstar …

    Krystal verfolgte Madeline Roudys in die Länge gezogenen Abgang mit einem Raubtierlächeln. Sie hatte den harten Blick einer Tennisspielerin, die den Ball kommen sieht und einen Schmetterball plant. Georgia versuchte ihr ein telepathisches Signal zu senden: Du musst sie schonen. Sie hat dich auch geschont. Die Ladys hier mögen sie – zumindest mögen sie das, was ihnen zu ihr einfällt. Niemand will hören, wie du Madeline Roudy niedermachst.
    Aber die Luft im Gemeindezentrum war vermutlich zu kühl und zu trocken, um telepathische Signale zu transportieren. Krystal zog ihre Jackenaufschläge zurecht, bestieg das Podium und breitete ein mehrseitiges Redemanuskript vor sich aus. Die Damen um Georgia herum welkten sichtlich dahin. Bowle und Kekse stellten die Hauptattraktion bei einer Veranstaltung wie dieser dar, und es war eine schreckliche Vorstellung, sich eine so lange Rede anhören zu müssen, bevor man den ersten Bissen zu sich nehmen durfte.
    Georgia gab ihre zarten Winke auf. Sie wedelte mit der Hand, starrte Krystal mit einem Clownsgesicht an und fuhr sich mit dem Finger quer über die Gurgel.
    Krystal sah sie an, schien sie aber nicht wahrzunehmen. Sie richtete den Blick auf die Blätter auf dem Rednerpult. »Guten Morgen, meine Damen, und danke, dass Sie mich eingeladen haben. Als Erstes möchte ich sagen, dass ich immer dachte, ›ABC‹ sei ein Hit der Jackson Five. Aber nach allem, was ich jetzt so mitbekomme, bedeutet es in manchen Ecken von Six Points inzwischen ›Alles Bis auf Crystal‹. Ich möchte Sie daran erinnern, dass ich meinen Namen mit K schreibe.«
    Sie blickte auf und wartete auf einen Lacher, aber es kam keiner. Ganz hinten hustete jemand.

    Was für eine lahme Eröffnung!, dachte Georgia staunend – und sie war Krystals beste Freundin. Was musste da erst den anderen Frauen durch den Kopf gehen!
    Krystal steuerte geradewegs auf eine Katastrophe zu. Georgia konnte nicht einfach dasitzen und zuschauen. Einen so starken Drang hatte sie nicht mehr verspürt, seit sie in der Kirche aufgesprungen war, um zu verhindern, dass Pastor Eugene mit der Wahrheit herausplatzte.
    Sie hob die Hand. »Entschuldige, Krystal, darf ich dir dieselbe Frage stellen, die ich Dr. Roudy gestellt habe? Erzähl uns von deinen Erfahrungen in der Verwaltung der Stadt.«
    Krystal runzelte die Stirn. »Ja, Georgia, dazu wollte ich gleich kommen. Wenn du mich lässt. Könntest du dir deine Fragen bitte aufheben, bis ich fertig bin?«
    Ein paar Damen sogen deutlich hörbar die Luft ein. Das war ein bisschen unhöflich. Alle wussten, dass Georgia Krystals beste Freundin war. Die meisten, dachte Georgia, erkannten wahrscheinlich, dass sie nur versuchte, Krystal zu retten.
    Weitere Unterbrechungen würde Krystal ungnädig aufnehmen. Aber wenn Georgia sie nicht bremste, würde sie sich um Kopf und Kragen reden.
    »Ich glaube, wir wollen jetzt keine lange Rede hören, oder?«, sagte sie. »Erzähl uns einfach, was du alles getan hast und was du noch tun willst.«
    Ein Murmeln ging durch die Reihen, ein beifälliges Brummen.
    »Möchtest du vielleicht heraufkommen und mir die Sache abnehmen?« Jetzt war Krystal sauer. Offenbar hatte sie keine Ahnung, warum Georgia versuchte, sie zu stoppen, und
Georgia wusste nicht, wie sie es vor allen Anwesenden erklären sollte, ohne dass alles noch peinlicher wurde.
    Maribeth Parker räusperte sich. »Wenn die Bürgermeisterin sich die Mühe gemacht hat, eine Rede vorzubereiten«, sagte sie scheinheilig, »dann würde zumindest ich sie auch gern hören.«
    Ach, hau ab, Maribeth Parker, dachte Georgia. So war sie schon in der zehnten Klasse Biologie gewesen. Eine monumentale Streberin.
    »Sorry, Maribeth«, murmelte sie, »natürlich hast du recht. Schon gut. Bitte machen Sie weiter, Bürgermeisterin.«
    Georgia strich sich den Rock glatt und blickte starr auf eine Stelle, an der die Bodenfliesen ein wenig schief verlegt waren. Was für eine schwere Last es ist, dachte sie, immer recht zu haben. Recht zu haben – und niemanden überzeugen zu können.

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