Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haben Sie das von Georgia gehoert

Haben Sie das von Georgia gehoert

Titel: Haben Sie das von Georgia gehoert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Childress
Vom Netzwerk:
behaupten, sie habe diese Quilts selbst genäht. Aber sie wusste, dass sie damit die gleiche Haarspalterei betrieb wie ein sexbesessener Präsident, der die Bedeutung des Wortes »ist« zerpflückt hatte. Nie hatte sie ein Lob für die Quilts zurückgewiesen, ebenso wenig wie den Profit. Eine Ware teurer weiterzuverkaufen war wirklich das älteste Gewerbe der Welt.
    Ihre Beschwingtheit verflog schnell. Sie schloss die Augen und versuchte das Brent-Colgate-Gefühl zurückzuholen. Aber das war wie der Versuch, beim Aufwachen einen entgleitenden Traum festzuhalten: Je mehr man sich bemüht, sich zu erinnern, desto mehr löscht man ihn aus.

     
    Die Quilts würden warten müssen. Georgia konnte sich nur annähernd die Wutanfälle vorstellen, die Little Mama in ihrer Zelle hinlegte.
    Sie zog ein schickes, ärmelloses weißes Top mit einem schmalen schwarzen Gürtel an, dazu eine schwarze Caprihose und Riemchensandalen. Vor dem Spiegel in der Diele blieb sie stehen und überprüfte ihr Aussehen.
    Whizzy kam schwanzwedelnd durch die Hundeklappe herein. Georgia bückte sich, um seine Ohren zu kraulen. »Armer Whiz, alle ignorieren dich, was? Alles klar, mein Junge?« Er wedelte mit dem Schwanz und lächelte.
    Sie wollte auf die Veranda hinausgehen. Die Tür klemmte. Sie drückte dagegen. Die Tür gab ein wenig nach. Etwas blockierte sie. Georgia drückte fester. Was immer es war, es rutschte schwer über die Veranda. Ssschhh.
    Sie schob den Kopf durch den Türspalt, um herauszufinden, was es war. Sie sah einen Pappkarton voller Plunder. Obenauf lag ein Sonnenbarsch aus Plastik, auf eine Platte montiert.
    Georgia kannte diesen Fisch.
    Wenn man auf den roten Knopf drückte, würde der Fisch zappeln und »Elvira« singen.
    Georgia hatte letztes Jahr im Dollar General-Superstore gutes Geld für dieses Ding bezahlt und es Krystal zu Weihnachten geschenkt, elegant verpackt und mit feierlichem Getue. Seit der Highschool machten sie einander solche Gaggeschenke.
    Sie achtete darauf, den roten Knopf nicht zu berühren, aber das Lied fing trotzdem an, als sie das Ding aus dem Karton nahm. Der Fisch zappelte und bewegte sein abscheuliches Maul. »Elvi-RA!« Es war nicht abzustellen – wenn er
einmal angefangen hatte, sang er das Lied bis zum Ende. Das war ein Teil des Witzes.
    Giddyup a-oom papa oom papa mau mau.
    Unter dem Fisch lag ein Affe, der Becken zusammenschlug und Salto sprang. Ein blau-weiß-roter Stirnreifen mit Flittersternen an Spiralfedern. Ein Knuddelstein mit aufgeklebten Augen. Ein Dackel mit einer Weihnachtsmannmütze, der »Jingle Bells« bellte.
    Das waren Georgias Weihnachtsgeschenke für Krystal, jedes einzelne liebevoll in die Originalverpackung zurückgelegt, mit dazugehöriger Karte und Schleife. Dieser Karton war ein Museum ihrer Freundschaft mit Exponaten aus zwanzig Jahren. Die Reagan-Puppe »mit beweglichen Gliedern!« . Eine Nancy-Reagan-Halloween-Maske. Ein Paar »Klick-Klacks«, Acrylkugeln an einer Schnur, die lautstark aneinanderprallten – ein Spielzeug, das Mitte der siebziger Jahre ungefähr zehn Sekunden lang rasend populär gewesen war. Eine Sparbüchse in Gestalt eines vorgebeugten Hinterwäldlers mit einem Münzschlitz in der Arschritze.
    Auch Georgia hatte jedes Jahr ein Gaggeschenk von Krystal bekommen, aber es wäre ihr schwergefallen, auch nur ein einziges zu nennen. Okay, eins, von vor vielen Jahren: ein Maiskolben an einem Stock mit dem Etikett »Premium Rückenkratzer«. Diese Geschenke sollten ein Scherz sein, dachte Georgia – ein Spaß für den Augenblick, und einen Tag nach Weihnachten flogen sie mitsamt der zerknüllten Verpackung auf den Müll.
    Aber Krystal hatte jedes blöde kleine Geschenk behalten, als wären es wertvolle Antiquitäten.
    Und hatte diesen Karton dann ohne ein Wort vor Georgias Haustür abgestellt. Konnte man es noch endgültiger sagen?

    Georgia ging zum Telefon in der Küche und wählte die vertraute Nummer. Die letzten vier Noten der Tonwahl klangen immer wie ein kleines Lied in ihrem Ohr: »Jetzt kommt Krystal!«
    Das Telefon klingelte und klingelte. Niemand nahm ab, kein Anrufbeantworter meldete sich.
    Georgia ging hinaus zu ihrem Wagen. Das alles fühlte sich an wie einer von diesen frustrierenden Träumen, in dem man sich angestrengt bemüht, eine wichtige Aufgabe zu erledigen, an die man sich nicht genau erinnern kann, während dauernd irgendwelche Hindernisse auftauchen. Statt sich die Zeit zu nehmen, rückwärts aus der Einfahrt zu fahren, tat

Weitere Kostenlose Bücher