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Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Expreßpaket abgeben wollte. » Sie dürfen auch mal eben rein«, sagte ein Beamter und ließ mich auf den Bahnsteig. Der Hitler stieg in den Zug, begleitet vom Brüllen, und eine Gardine wurde hochgelassen, und da kuckte er raus, und zwar genau da, wo ich stand, und die Bahnbeamten haben alle strammgestanden. Hitlergruß und das Rollo wieder runter.– Ich hab so ’n Schreck gekriegt! Das war ja bloß von hier bis hier.
    Ich hab’ ihn mir so dunkel vorgestellt, dabei hatte er knallblaue Augen. Mittelblond!
    Das war 1934, kurz vor der Röhm-Sache.
    Schauspielerin, 1911
    Es klingelte das Telefon: » Hier ist die Reichskanzlei« – » JA , bitte sehr?« – » Der Reichskanzler bittet Sie morgen abend zum Essen.« Ich sag: » Ja, wo ist das?« – » Ja, wir sind nicht in der Reichskanzlei, die wird ja umgebaut« …
    Ich also schick gemacht, wir waren ja noch ganz hübsch, und wir gehen hin, und unten standen schon welche, Fahrstuhl rauf und, Gott, ’ne größere Wohnung, drei oder vier Zimmer, ein größeres Eßzimmer, vielleicht zwölf bis fünfzehn Personen … Also Riefenstahl, dann diese sehr nette Norwegerin, Astrid Späth [?] und Renate Müller, ein Engel, Menschenskind, das waren alles – solche Frauen gibt’s gar nicht mehr, Müller, Dorsch, alle die, solche Schuhgrößen gibt’s nicht mehr.
    Hitler sagte: » Wir setzen uns erst mal zu Tisch« … Leider weiß ich überhaupt nicht mehr, was gesprochen wurde, weil es wahrscheinlich nur Blabla war. Nachher sage ich: » Ach, Sie wohnen jetzt hier?« – » Ja«, sagt er, » also dieses ist meine Wohnung, darf ich Ihnen die Wohnung zeigen?« – » Ja, das würde mich interessieren, wo Sie wohnen, wie das hier ist.« » Ja«, sagt er, und dann zeigte er mir die Wohnung und » … hier ist mein Schlafzimmer.« – » Ach Gott«, sage ich, » das ist aber ungemütlich« – da stand nur so eine eiserne Bettstelle, ein Tisch, Stuhl, ganz karg. Er hatte mich nicht mit Absicht in sein Schlafzimmer geführt, er wollte mir nur die Wohnung zeigen.
    Ja, in dem Stile lebte er. Er aß ja auch kein Fleisch … Ich bin dann später auch mal in der Reichskanzlei gewesen, ein Jahr später, wir wurden öfter eingeladen, aber nach drei-, viermal hab ich Schluß gemacht damit.
    Ofensetzer, 1915
    Hitler ist mir 5 Mark schuldig. Es war im Juli 1934. Damals machte man im Sommer Radtouren, und ich fuhr mit meinem Freund Karo. Für 14 Tage hatten wir 20 Mark, und es war notwendig, daß man alle Verwandten abklapperte, da aß man sich durch und kriegte obendrein noch ein paar Mark.
    In Bad Reichenhall war doch das Führerhaus. Wir haben in einer Scheune übernachtet. Da waren andere Jungen, die sagten: » Ihr müßt zum Führer rauf, da kriegt ihr 5 Mark!«
    Am nächsten Tag sind wir raufgewandert, es regnete in Strömen. Oben war eine irre Menschenmenge, alles wanderte zum Hitler.
    Wir hatten Hunger und gingen in die einzige Bäckerei dort oben. Die war total ausverkauft, da gab es gar nix mehr, nur noch Waffeln, das Stück zu 5 Mark. Das war irre teuer!– Wir haben jeder eine gegessen und sind da dann hingegangen. Und da war eine unwahrscheinliche Menschenmenge, und wir haben gewartet und gewartet. Bei solchen Anlässen mußte man ja immer warten.
    Plötzlich kam Bewegung in die Massen, wie in einen Trichter wurde man an einem Tor vorbeigeschoben, es wurde immer enger. Schließlich ging’s in Dreierreihen. Und Hitler stand in einem Holztor und machte seinen unvorschriftsmäßigen Gruß, und die Leute grüßten auch.
    Als wir vorbei waren, sagte mein Freund: » Und die 5 Mark?« Daran hatten wir nicht gedacht.– Also einen irren Bogen gemacht, um noch einmal an Hitler vorbeizukommen. Aber da war nix mehr. Das Tor stand kahl und leer da.
    So kommt es, daß mir Hitler noch 5 Mark schuldig ist.
    Offizier, 1916
    Ich war damals auf der Kriegsschule Dresden, 1934 im Sommer, wir machten einen Kurs, und eines Tages wurden sämtliche Wachen mit Offizieren besetzt, an Maschinengewehren: Der Führer kommt. Das war einen Tag vor der Röhm-Affäre, und er wollte sich wohl unser versichern. Geschützexerzieren, und wir hatten den Eindruck, der kuckt jeden an. Streng disziplinierte Leute brachen in Heilrufe aus!
    Dann hielt er eine Rede, gelassen und ruhig, sagte, was eine Armee sein soll, und dann fing er an zu schreien: Ich werde euch brauchen, in kürzester Zeit! usw., und wir hätten alle sofort unsere Flinte genommen, so groß war die Bereitschaft. Mir ist heute noch rätselhaft, wie

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