Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt
Hindenburg lebte. Am Tor war ein Gärtner am Rosenbeschneiden. Mein Vater fragte ihn: » Wie geht es dem alten Herrn? Es geht wohl zu Ende?«– » Ja, es scheint zu Ende zu gehen. Aber fragen Sie doch selber.«
Wir gingen rein, und auf der Terrasse saßen lauter Ärzte. Wir konnten ohne weiteres mit denen sprechen, und mein Vater fragte: » Geht es zu Ende?«– » Ja, es geht zu Ende.« Und der das sagte, der mußte es wissen, das war Sauerbruch.
Bibliothekarin, 1921
Wir kriegten schulfrei. Es hieß: » Um 10 Uhr wird die Schule geschlossen. Der Führer landet in Hannover. Ihr kriegt aber nur schulfrei, wenn ihr da auch hingeht.« Es war ein ziemlich weiter Weg, von Hannover zum Flugplatz raus, den sind wir zu Fuß gegangen. Dann haben wir uns dahin gestellt. Und als er ankam, war da eine furchtbare Aufregung und Geschrei, und wir haben ihm die Blumen überreicht. Er hat sie genommen, weiter nichts.
Das war 1934.
Glasermeister, 1902
Ja natürlich, wir drängten um sein Auto herum, er war ausgestiegen, hatte ’ne Zeitung unterm Arm und den Schlapphut auf. Und da war es– es ist mir komisch, das heute zu sagen, aber ich erinnere mich gut–, und da war es mir, weil ich nun ganz dicht an ihm dranstand, daß er einen fahren gelassen hätte, man roch es, nicht wahr? Und in den späteren Jahren, als er dann immer mehr zu Berühmtheit gelangte, hab ich immer an dies denken müssen.
Mein Name erscheint doch nicht, nicht wahr?
Oberstleutnant, 1929
1934, da war ich noch ’n ganz lütter Junge, in Warnemünde, und da kam ein Flugzeug an, eine Ju 52 oder eine W 34, und da sagte mein Vater: »Kuck mal da oben, das muß Hitlers Flugzeug sein.« Und er hatte es kaum ausgesprochen, da kam eine Wagenkolonne durch die Straße, und mein Vater sagte: » Siehst du, dor kam’ se.« Und unten im Haus wohnten Nazis, die nannte mein Vater » die Heisters«, weil sie immer so jubelten, die Heisters, die waren immer so begeistert, und das waren wohl die einzigen, die von den sturen Warnemündern an der Straße standen, das waren vier, die schrien: »Heil! Heil!« Er war auf einer Wahlveranstaltung. » Dats ok so ’n Heister«, sagte mein Vater, oder » dor künnt hei wedder mit sine kackbrune Uniform… Und bis an ’n Mors in Ledder, so’ne Gewitterbüchsen.«
Ein Mann, 1928
1934 in Hamburg-Eimsbüttel, Osterstraße, er kam vorbeigefahren. Hat mich nicht so stark beeindruckt wie Göring. Göring gab eigentlich mehr her, der war ja auch dicker.
Mit der Klasse, 6 Jahre alt war ich.
Lehrer
Es war am 30. September 1934 in Hildesheim. Unruhe hatte die Stadt erfaßt: » Der Führer kommt!« Die Menschen pilgerten schon Stunden vorher zu den Straßen und zu dem Hotel » Berghölzchen«, um ihn zu sehen. Es war eine eigenartig erwartungsvolle Atmosphäre, die sich auch auf uns Kinder übertrug. Meine ältere Schwester und ich strebten mit meinem Vater zum » Berghölzchen«, weil er dort mit absperren mußte, und wir hofften, dort einen guten Platz zu ergattern. Auf dem » Berghölzchen« angekommen, wimmelte es von Menschen, die schon seit drei Stunden auf ihn warteten. Ich hörte, wie eine junge Frau ganz verzückt ausrief: » Ich kann es gar nicht fassen! Daß ich IHN gleich sehen werde!« Darauf die etwas laute Antwort eines alten Herrn: » Dann sperren Sie man ordentlich die Augen auf!« Gegen 15 Uhr war es dann soweit.
Von Ferne tönte plötzlich Jubel auf, der sich schnell verstärkte, eine Autokolonne näherte sich dem Aufgang zum » Berghölzchen«, der Führer war erschienen. Er kam vom Bückeberg, wo er eine Rede an den Bauernstand gehalten hatte. Als die Autotüren sich öffneten, schritt zuerst ein Mann in dunkler Uniform aus dem Wagen heraus. Der Jubel verstärkte sich. Er muß es doch sein, dachte die hysterische Menge. Endlich verebbte der Jubel. Was war geschehen? Der Mann in SS -Uniform hatte plötzlich die Mütze vom Kopf genommen. Es war nicht Hitler. Es soll sein Fahrer mit Namen » Schreck« gewesen sein. Dann aber nahte ER . Der Jubel schwoll wieder an, und er schritt die Stufen zum » Berghölzchen« herauf, gefolgt von seinem Propagandaminister Goebbels. Ich hatte einen günstigen Platz zwischen der Absperrung erwischt und konnte ihn gut sehen. Was mir heute noch auffiel, waren der braune Ledermantel, die schwarzen Stiefel und die tief im Gesicht sitzende Mütze, so daß nur Mützenschirm und der schwarze Schnurrbart zu sehen waren. Ich sah ihn mir andachtsvoll an. Wie er im Hotel verschwunden war,
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