Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
Vom Netzwerk:
kommt rüber!– Was ist denn los?– In der Poststraße kommt ein Hitler vorbei! Das war der erste Mann, der in einer braunen Uniform da langkam, und da rannten sie alle hin, es war nun der einzige. Auf der Poststraße geht ein Hitler, den müßt ihr sehen. Ich sagte: Wir sind grade hergekommen, um ihn nicht zu sehen.
    Bibliothekarin, 1930
    Als sehr kleines Kind hab’ ich ihn gesehen, in Düsseldorf, in der Königsallee, ich muß fünf Jahre alt gewesen sein. Ein Menschenauflauf! Ich hab’ ihn aber nur als Monument in Erinnerung. Abends haben wir uns dann unterhalten, wie es wohl sein muß, wenn man zwei Stunden so! (grüßen) machen muß.
    Das war 1935.
    Schauspieler, 1912
    In Darmstadt war er, wie das Stück Autobahn von Frankfurt nach Darmstadt eingeweiht wurde, da stand ich eingekeilt in einer Riesen-Riesen-Riesen-Menschenmenge, und man hörte nur ganz von weitem ein Brausen, wie das rankam, immer näher und näher und näher, das rauschte, die Häuserwände hoch, und dann stand er da, nicht wahr, da stand er so… so zackzack!–, und ich muß sagen, ich haßte das Regime damals schon, aber ich muß sagen, das ist sicherlich nun auch die Massensuggestion gewesen, wie das alles tobte und schrie, Weiber heulten, die Hände alle emporgeflogen, alles, die ganze Straße brauste, rauschte an den Häuserwänden hoch– das war ungeheuer, ich hab’ natürlich auch » so« gemacht, und es hat mich durchrieselt, es war etwas– irgend etwas hatte dieser Mensch natürlich, sonst hätte er ja nicht die ganze Welt düpiert, klügste Leute sind ja auf den hereingefallen, auf diese unheilvolle Figur.
    Historikerin, 1913
    Ja, ich habe Hitler gesehen, während ich im Wintersemester 1934/35 in München studierte.
    Einmal saß ich mit einigen Studenten in der mäßig beleuchteten und etwas schmierig wirkenden Osteria Bavaria in der Adalbertstraße, in der ich auch wohnte. Etwa gegen 21 Uhr kam Hitler mit drei oder vier Männern herein. Es waren wenige Tische besetzt; Hitler und seine Begleiter, in braunem Hemd, ohne Jacke, setzten sich so, daß wir sie nicht sehen konnten.
    Wir sagten: » Das war doch…?« Ja.
    Unsere Gespräche wurden weder unterbrochen noch geändert.
    Das zweite Mal sah ich ihn ebenfalls in München. Wenn wir etwas ärmlich lebenden Studenten etwas Vornehmheit atmen wollten, gingen wir um 15 Uhr in den Carlton Tea Room. Dort konnte man vor halb vier Uhr eine Tasse Kaffee oder Tee bestellen. Nach diesem Zeitpunkt war man zum Kännchen verpflichtet.
    Es war angenehm, einen Tisch an der Wand zu haben, man konnte den Raum von dort gut übersehen. Hitler, wieder in Begleitung von drei oder vier Männern, in voller Uniform, kam herein und ging durch den Raum zu einem kleinen Raum, der dem Publikum nicht zugänglich war. Das dauerte nur wenige Sekunden, aber die Leute, die vorne an seinem Weg saßen, standen auf und grüßten » Heil Hitler!«. Wir sahen uns um, auch die Gäste an anderen Tischen waren aufgestanden.
    Einer von uns fragte: » Hätten wir aufstehen sollen?« Einer sagte: » Nein, das ist doch hier keine Parteiveranstaltung.« Wir empfanden die Störung als lästig, so, als hätte man uns etwas » in den Kaffee getan«.
    Rechtsanwalt, 1908
    Vor der Saarabstimmung am 13.1.1935 fanden auf dem Niederwald und Ehrenbreitstein Hitlerkundgebungen statt. Die Fahrten dorthin wurden vom Saarland aus organisiert und die Teilnahme überwacht. So blieb mir nichts anderes übrig, als an diesen Fahrten teilzunehmen. Ich bin jedoch nur mit dem Sonderzug weggefahren und auch wieder zurückgekommen. An den Kundgebungen habe ich nicht teilgenommen, wie überhaupt an keiner Hitlerkundgebung. Ich bin also im Sommer 1934 mit dem Sonderzug nach Koblenz gefahren. Von dort aus fuhr ich nach Bonn, wo ich von 1930 bis 1932 studiert hatte. Nachmittags machte ich eine Rheinfahrt nach Godesberg ins Hotel Dreesen, wo ich in meinen Studienjahren mit meinen Freunden Stammgast beim Tanztee war. Ich kannte daher die Örtlichkeit sehr gut. Der Nachmittag verlief nett in der mir bekannten Atmosphäre. Nichts erinnerte an den Nazikram, obwohl der Besitzer Dreesen, was ich natürlich wußte, ein Kriegskamerad, wie es so schön hieß, von Hitler war. Gegen 19 Uhr kam plötzlich über den Lautsprecher: » Wir bitten das Lokal zu räumen. Machen Sie keine Umstände. Es handelt sich um einen Befehl von oben.« Dieser Aufforderung mußte ich natürlich wie die anderen Gäste Folge leisten. Bei meinem Aufbruch sah ich dann, wie sich an der

Weitere Kostenlose Bücher