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Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Bückeberg, eigentlich nur von weitem. Ich stand an der Ecke, wo er raufging, mit seinem Stab.
    Das Volksfest fand ich schön, das ganze Gedöns, in BDM -Uniform waren wir, alles sauber und schön, und Würstchenbuden waren da.
    Von der Rede hab ich gar nichts mitgekriegt.
    Hausfrau, 1921
    Ich habe 35 eine Fahrt mit Jungmädels mitgemacht, und ich war noch nicht ganz 14 Jahre alt. Da sind wir dem Adolf begegnet. Da war natürlich die Straße abgesperrt. Und wir haben ihn begrüßt und waren jede Menge begeistert. Und wir waren so gerührt! Wir haben uns drei Tage kaum die Hand zu waschen getraut, vor lauter Rührung, nur weil er sie geschüttelt hat. Dann hat er unsere spärliche Lagerkasse noch aufgefüllt, mit einem Fünfzigmarkschein. Wir waren kolossal beeindruckt.
    Schriftsteller, 1920
    1935.– Ich war 15 Jahre alt, es war ein Reichsjugendtreffen in Leipzig, die ganze Hitlerjugend. Ich war Fähnleinführer oder Jungzugführer oder weiß nicht was. Wir standen Spalier in einer Riesenhalle im Messegelände und waren sehr gespannt. Erst kam Schirach, der interessierte mich nicht weiter, dann Hitler. Ich war enttäuscht, daß er so klein war. Nun war er allerdings von großen SS -Leuten umgeben, das muß man bedenken. Ein kleiner Mann also, und er sah geschminkt aus. Rouge, als sei er vorher in einem Kosmetiksalon zur Behandlung gewesen.
    Ich war vorher schon skeptisch gewesen, aber ich war dann doch sehr enttäuscht. Muß allerdings zugeben, als er sprach– da war ich fasziniert. Er hatte eine Ausstrahlung beim Sprechen, die Handbewegungen, die Stimme– auch wie die Leute reagierten, das war eindrucksvoll. Ich bin mitgerissen worden. Seine Stiefel haben mir imponiert. Wir Jungen hatten damals den Tick mit den feinen, gefalteten Juchtenstiefeln. Von weitem schon fielen mir diese Stiefel auf. Auf Hochglanz poliert. 1935 im Sommer war das.
    Pastor, 1897
    Ich hab’ mich mal bei Baldur von Schirach beschwert, weil sie einen Jungen aus der Hitlerjugend rausgeschmissen hatten. Der wurde dann wieder aufgenommen, aber nach 6 Wochen hat man ihn wegen mangelnder Beteiligung wieder rausgesetzt.
    Superintendent, 1910
    In Soltau war Hitler auch mal, und es war ein großer Krieg unter den Pastoren– da war ein theologisches Seminar –, müssen wir da nun hin oder nicht?
    Und wir standen dann da auf dem Marktplatz und warteten auf Hitler, und auf dem Rednerpult wartete die Prominenz. Der Lautsprecher war schon angestellt, und da hörten wir, wie der Gauleiter fragte: » Sind die Pastoren auch da?« Das schallte über den ganzen Platz.
    Pastor, 1897
    1935.– Ein verkrachter Missionsschüler mit wässrigen Augen, ein fieser Kerl, der nutzte seine Kenntnisse, um uns zu bespitzeln.
    Germanist, 1919
    Ich war im Jungvolk, und wir mußten die Olympiade in Kiel vorbereiten, ich war » Jungzugführer«, hatte eine grüne Schnur. Sprachkurse mußten wir machen, Englisch, Französisch, daß man sich verständigen kann mit den Ausländern, wenn die nach ’m Weg fragen.
    Ingenieur
    Ich bin im Dritten Reich gar nicht ein so ganz kleiner Mann gewesen, war in der Flugzeugindustrie und kam am 1. Dezember 1933 ins Luftfahrtministerium. 1935 bin ich von München nach Berlin gefahren, im Zug, im Speisewagen, wie ich da den Kopf heb’, sitzt am übernächsten Tisch » Adolf der Hitler«. Ich hatte also Gelegenheit, mir » Adolf den Hitler« in aller Ruhe anzusehen. Ich hab’ nicht gehört, was er gesagt hat, aber ich kann nur sagen, daß ich von dem Volk, was da bei ihm saß, zutiefst negativ beeindruckt war. Ein furchtbares Geschwerre. » Weiber« ist nicht der richtige Ausdruck, aber– ein unmöglicher Eindruck.
    Schauspielerin
    Propagandaminister Goebbels hatte zu einem Abendessen in kleinem Kreis mit Rücksicht auf seine sichtbar schwangere Frau Marga gebeten. Ich erinnere mich an Werner Kraus, an Friedrich Kreisler und seine Frau Helene. Wir waren nicht mehr als 12 Personen bei Tisch, und es ging in den Gesprächen hauptsächlich um Projekte für den Film, der Goebbels besonders am Herzen zu liegen schien und dem er seine ganz besondere Unterstützung zusichern wollte. Mitternacht war vorbei, als er ans Telefon gerufen wurde. Kurz darauf betrat er den Raum mit den Worten: » Der Führer will kommen.« Zunächst verstummte alles, dann fiel mir auf, daß unser Gespräch merklich gedämmt weitergeführt wurde. Es vergingen auch höchstens 10 Minuten, und Hitler erschien. Wir erhoben uns und standen in einer Reihe ihm gegenüber. Goebbels

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