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Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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alt und stand zehn Meter von der Bahnschranke entfernt, endlich kam er langsam durchgefahren. Mein Eindruck: Sie hätten genausogut sein Porträt ins Fenster stellen können, in Öl gemalt und schön gerahmt. Oder eine Wachsfigur aus dem Wachsfigurenkabinett, rosa.
    Im Herzen war er uns nah, und doch war er weit entfernt.
    Professor, 1907
    Ich sah ihn in München, vor Kriegsausbruch, da wurde jedes Jahr der Tag der deutschen Kunst gefeiert, mit Umzügen und so weiter. Ich ging dahin, wollte mir den Klamauk mal ansehen. Da waren Tribünen, und auf einer saß wohl Himself. Und ich sah auch, wie er im Auto dahin gefahren wurde, Leute, die klatschten. Und er, wie ein Gummiball alle paar Sekunden aufschnellend und grüßend. Das ist mir aufgefallen. Wie ein Gummiball.
    Bibliothekarin, 1923
    Das schildere ich Ihnen gern. Ich weiß auch noch ziemlich genau, wann das war, im August 39 auf dem Schloß im Chiemsee. Ich war auf der Segelschule, und da wurden wir zum Kaffee eingeladen. Goebbels und Eva Braun waren dabei. Ich habe die Fotos noch. Ich ging mit gemischten Gefühlen da hin, und er hat mir als 16jähriger die Backe gestrichen.
    Ein Korvettenkapitän leitete unsern Kursus. Ziemlich streng ging das zu. Das mochten wir. Mit Flagge aufziehen und so weiter. Wir mußten uns aufstellen, und Hitler ging an uns vorbei, mit seinem tiefen Blick. Danach wurden wir zum Kaffee gebeten, da gab es Kuchen und Eier. Gesprochen hat er fast kein Wort mit uns. Goebbels machte nur flachsige Bemerkungen. Ich fand es weder noch.
    Abends war dann ’ne dolle Schwärmerei im Gange. Da sagten sie alle, wie schön das gewesen wär’.
    Uniform fand ich damals schick. Aber als dann nachher der Druck immer stärker wurde, hat man schnell die Lust verloren.
    Verleger, 1913
    Ich hab’ ihn nicht nur gesehen, ich habe ihm länger als eine Stunde gegenübergesessen. Das war in der Osteria Bavaria in München. (Wir haben immer » der Hitler« gesagt.) In die Osteria Bavaria ist er immer zum Essen gegangen. Das Lokal gibt es noch heute, das ist sehr gut. Hinten ist ein kleines Höfchen, ich weiß nicht, ob’s noch da ist. Da saß man im Sommer, fünf, sechs Tische standen da, und wir saßen hinter einer vorgebauten Balustrade; ich saß da mit meiner Mutter, wir wollten essen. Und wie wir bestellen wollten, da sagte die Bedienung: » Es ist eigentlich schon vorbei!«– » Warum?«– Keine Antwort. Ich sehe, wie sich die Sache leert, die Leute wurden anscheinend aufgefordert fortzugehen, und es kommen Männer in langen Ledermänteln, und ich sage zu meiner Mutter: » Der Hitler kommt.« Und da haben sich die hingesetzt und Zeitung gelesen, wie so typische Kriminalbeamte, und uns hat man sitzen lassen, wir sollten wohl das Volk darstellen.
    Und dann kam Hitler mit einer Crew von Leuten. Speer war da und Brückner und eine blonde, sehr hübsche Person, das war diese Engländerin, und noch eine Reihe von Leuten, Frau Brückner, Dietrich, der Pressechef und Sepp Dietrich, die setzten sich an einen großen Tisch. Die Stiefel waren dreckig. Dann zogen sie einen Plan heraus, und der Hitler und Speer, die fuhren darauf herum. Und Hitler hat manchmal auf uns geschaut, und der hat immer monologisiert, und ich habe ein bißchen gelauscht, das war, daß er sagte, die Männer wären viel feiger als die Frauen, das könnt’ man beim Zahnarzt sehen. (Dies steht auch in einem Buch.) Das war wie » Die Räuber« von Schiller. Das sage ich nicht jetzt, das habe ich schon damals gesagt.
    Meine Mutter sagte: » Jetzt will ich gehen.«
    » Das ist zu früh«, sagte ich, » dann müssen wir da vorbei und grüßen.«
    » Ich grüße nicht!« sagte meine Mutter.
    Wir sind dann da vorbei, und ich hab so halb gegrüßt, und dann standen wir auf der Straße.
    Der Hitler mit diesem törichten Mund, den er immer so halb offen hatte.
    Pflichtschuldigst haben immer alle wahnsinnig gelacht, wenn er was gesagt hat.
    Das war 1938 an einem Sonntag.
    SS-Offizier
    Im Zuge meiner Ausbildung kam ich in die Adjutantur Ribbentrop Anfang 39. Wir saßen unten in Fuschel, das war sein Sommersitz, und Hitler war auf dem Berghof. Wie die mich da nun eingearbeitet hatten und nun sagten, nun kann er wirklich mal alleine mit dem losgehen, der Ribbentrop war nämlich nicht ganz einfach, da fuhr ich dann das erste Mal alleine mit ihm auf den Berghof, und da stellte er mich dann dem Hitler vor, und Hitler begrüßte mich, hat dann aber nicht weiter Notiz von mir genommen, so schön war ich ja auch

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