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Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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nicht… Haben dann mit ihm gegessen. Und da habe ich auch das erste Mal Eva Braun gesehen und mich erkundigt: Wer ist das? Na ja, hieß es, also die gehört zur Begleitung da oben, aber man spricht eben nicht darüber.
    Auf dem Berghof waren wir alle in Zivil, das war zwanglos, da waren dann ja auch noch die Sekretärinnen, Eva Braun und ihre Schwester oder auch Freundinnen, das war wie in einem Landhaus heute, man kommt hin, die beiden Chefs haben eine Besprechung und die Assistenten oder Sekretärinnen, die setzen sich hin, klönen auch und kriegen Saft, und dann heißt es: Es wird gegessen, bitte Platz nehmen, und dann hatten die Großen natürlich ihren festen Platz, und wir saßen dann am Ende der Tafel oder am runden Tisch, je nachdem.
    » Führer, es ist angerichtet«, hieß es, dann nahm er die Dame, meinetwegen auch Frau Morell, und der Bormann nahm Eva Braun, und dann schoben wir alle hin, und die saßen da, wir trottelten hinterher, und da wurde dann normal geredet, normal erzählt, das war alles völlig normal.
    Irgendwelche Leute haben behauptet, er hätte sich geschminkt … Nein, ach, um Gottes willen, nein, das ist wirklich dummes Zeug, er hat sich selber rasiert, mit ’ner Klinge, und selbst sein Kammerdiener hat ihn nie in Unterhosen oder im Nachthemd gesehen. Der legte ihm die Zeitungen hin und sagte: Morgen, mein Führer, es ist neun Uhr oder zehne, und er kam immer angezogen raus.
    Redakteur, 1924
    Ja, 1939, irgendwo in Dresden. Mein Vater hatte immer schon Sinn dafür, mir faktische Erinnerungen zu verschaffen. Ich bin in Indien aufgewachsen, und als wir heimfuhren und am Stromboli vorbeikamen, da wollte ich mir den feuerspeienden Berg nicht ansehen. Und da hat mir mein Vater Ohrfeigen gegeben, deshalb, wenn ich heute an den Stromboli denke, muß ich auch an Ohrfeigen denken. So hat er mir also auch den Hitler gezeigt: » Den Mann muß man gesehen haben!« Nicht wahr? Stundenlang Soldaten vorneweg, und dann kam er so schnell vorbei, daß ich praktisch nichts gesehen habe.
    Bauer, 1916
    Ja, die ganze Reichsregierung hab’ ich gesehen. Die kamen gerade aus Italien wieder und fuhren in ihren großen Mercedeslimousinen– die waren ja offen damals, nicht so wie heute, gepanzert– am Brandenburger Tor entlang, wo ich mit meiner Einheit– ich war in Berlin stationiert, Regiment Hermann Göring– die Absperrung bildete. Menschenmassen waren da.
    Hausfrau, 1922
    1939 war ich in Berlin, da mußte irgendeiner kommen, Duce oder wer, und da strömten die Leute alle die Ost-West-Achse herunter, und die Leute hatten alle einen Spiegel in der Hand, einen langen Stock mit Spiegel. Und an der Prachtstraße stand eine Riesenmauer von Menschen. Das war so unheimlich.
    Viele Menschen und alle standen mit Spiegeln da. Und als er da kam… die Berliner waren wie wahnsinnig. Die waren rappelig vor Freude. Ich war erschrocken über die Menschen. Die haben gebrüllt und geschrien, damals, vor echter Begeisterung.
    Eine Frau, 1907
    Ruth und ich mußten zum Wintergarten, dem Theater der leichten Muse am Bahnhof Friedrichstraße. Ich sollte einen kleinen Bericht schreiben. Unter den Linden schon: Polizei auf Motorrädern. Absperrungen am Wintergarten. » Bitte Ihren Ausweis!«– Wieso? Warum?– » Heut’ abend kommt doch der Führer in die Vorstellung…«
    Wir auf den Presseplätzen. Plötzlich erhob sich alles, ich drehte mich, und fünf oder sechs Reihen hinter uns die etwas erhöhten Logen, Uniformen, Damen. Dann der Schlammfarbene. Damals waren große Puderdosen mit Spiegeln modern. Ich hatte eine. Anstatt auf die Bühne zu schauen– Clowns, Zauberer, Akrobaten, beste Qualität– A. H. Er applaudierte, rechte Hand auf dem Handrücken der Linken, beide Hände in Handschuhen. Antlitz, solche Männer haben kein Gesicht, Masken? unbewegt, kein Lächeln. Dann eine englische Girltruppe, niedliche Schottenröckchen, Spitzenhöschen, die sich bei flotten Sprüngen und Drehungen fröhlich zur Schau stellten. Der da in der Loge, ich habe ihn im Spiegel meiner großen Puderdose, der senkt die Augen, schaut in seinen keuschen Schoß, sein Applaus ist politisch-zurückhaltend. Die Tänzerinnen waren schließlich aus England, mit dem man noch nicht » im Kriege stand«. Der Keusche verließ das Theater der leichten Muse vor dem Ende der Schau.
    Ein Schlagerkomponist
    Hitler war für mich ein undurchdringlicher Mensch, es war unangenehm, mit ihm zusammenzusein. Zum Reden kam man gar nicht. Die Leander, die Zarah,

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