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Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Bruder hat’s meinem Vater erzählt, er war Standortkommandant in Polen und wußte von Massenerschießungen. Mein Vater hat’s uns dann nach dem Krieg erzählt.
    Buchhändlerin, 1928
    Ein Bekannter von meinen Eltern, ein SS -Offizier, der wurde in ein Konzentrationslager versetzt, weil er schwer verwundet worden war, und der hat sich da das Leben genommen. Da sagte meine Mutter zu mir: » Überleg mal, Kind, was da wohl los ist, daß er sich das Leben genommen hat.«
    Vertreter, 1924
    Ich hab’ ’n Bekannten, der ist da Aufseher gewesen, der streitet das natürlich ab. So schlimm sei es nicht gewesen, sagt er.
    Schriftsteller, 1922
    Nur im Arbeitsdienst hab’ ich davon gehört, in Kudnow, da hatten sie ’n KZ , ein Schulkomplex war das, da gingen die Juden drin spazieren, in Zivil. Hin und zurück.
    Wenn man zu nah ranging, dann sagten die SS -Posten: » Hör mal, Kamerad, geh mal auf die andere Seite.«
    Buchhändler, 1906
    Nein. Ich kam Ende Januar 1940 nach Polen, und da habe ich auf dem Bahnhof bei Krakau irgendwo gesehen, wie Polizisten, wir konnten es nicht genau erkennen, wie SS -Leute auf Leute losdroschen. Es war bitterkalt. Wollten diese Menschen irgend etwas holen, fragten wir uns, oder nur in einen wärmeren Raum? Und wie die da drauflosschlugen, da sagten wir: Um Gottes willen! Ist das womöglich unsere Aufgabe? Wird uns das mal bevorstehen, daß wir das auch machen müssen?
    Arbeiter, 1924
    Im Krieg, in Przemysl, da hab’ ich was vom Ghetto gesehen, soweit ich das damals… ein harmloses Durchgangsghetto, und viele Leute bemühten sich, die Juden gut zu behandeln, und offensichtlich waren sie nicht unter SS -Bewachung, sonst wär’ das ja gar nicht möglich gewesen.
    Hausfrau, 1928
    O ja, da hab’ ich ’ne ganze Menge davon gehört. Wir haben mit Juden im Haus zusammengelebt, und wir haben miterlebt, daß sie abgeholt wurden und in die Bundesstraße kamen und dann abtransportiert wurden nach Theresienstadt.
    Daß die getötet wurden, hab’ ich nicht gewußt. Aber daß sie nicht wiederkommen würden, das hat man geahnt.
    Hausfrau
    Eine befreundete jüdische Familie kam weg. Und da haben wir noch am Zug gestanden, und meine Mutter hat gesagt: » Die sehen wir nicht wieder.«
    Das waren Personenwagen, und wir standen am Zaun. Das waren zwei alte Damen.
    Kaufmann, 1931
    Eine Ansammlung von Menschen, die waren furchterweckend angezogen.– Da hat mir meine Mutter gesagt, daß das Juden sind und daß die in ein Lager kommen. Und das hat sie in einem Ton gesagt, aus dem ich raushörte, daß da was Furchtbares geschieht.
    Hausfrau, 1901
    Ja, aber man hat’s nicht geglaubt… Bis ich eines Tages gesehen habe, die Jüdinnen in Berlin, wie die so vollgepackt waren mit Rucksäcken. Die mußten sich irgendwo melden.
    Wir kamen grade vom Wintersport zurück, und es hat mich ziemlich erschüttert, wie ich die so sah.
    Buchhändler, 1929
    Ja. Wir hatten jüdische Freunde, und ich wußte, daß die nicht mehr ins Kino gehen durften und jeden Moment Gefahr liefen, abgeholt zu werden. Es war uns völlig klar, daß sie nie wiederkehren würden.
    Das Wort » KZ « fiel natürlich. Die Art aber, wie sie umgebracht wurden, das hab’ ich nicht gewußt. Gaskammern, das war nicht bekannt, aber daß sie nach Polen kamen, das wußte man. Bei uns im Haus wohnte eine Freundin meiner Mutter, die verbarg sich da. » Bitte, geh doch nicht ins Kino«, das höre ich noch meine Mutter sagen, und sie ist doch hingegangen: » Wir sehen und hören nichts, wir haben ja nichts mehr vom Leben«, sagte die. Und sie ist nicht wiedergekommen. Die Angst, die wir um sie hatten, implizierte das Wissen. Das wußten wir schon als Zehnjährige: Ein Zurück gab es da nicht mehr.
    Professor, 1927
    Zwei Parzellen hinter uns hatten Juden ihr Haus. Die spielten da Tennis. Und eines Tages waren die weg.– Weiter nichts.
    Hausfrau
    In der Kleinstadt kannte man ja die jüdischen Mitbürger. Die meisten wanderten aus, aber etliche blieben auch da; eine Frau Berg z. B., die hab’ ich als uralte Frau in Erinnerung, 80 war die. Einmal sah ich sie auf einer Bank sitzen, und da setzte ich mich zu ihr. Da sagte sie: » Du weißt doch, daß du dich nicht zu mir setzen darfst, das tu man lieber nicht.« Anfang 1940 hieß es: » Frau Berg wird verschickt.« Dem Nachbarn hat sie noch eine Karte geschickt, aus Theresienstadt. Dann hat man von ihr nichts mehr gehört.
    Daß es KZ s gab, hat man gewußt.
    Ingenieur, 1921
    Vor dem Ausbruch des Westfeldzuges lag

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