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Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Geschäfte der Juden gesehen. Vor diesen Geschäften standen die SA -Leute und wollten das Volk » aufklären«.
    Hausfrau
    Die Kristallnacht war schrecklich. Wir sind nach Mannheim gelaufen und haben uns das angesehen. Die zerstörten Häuser, die eingeschlagenen Fenster. Gardinen hingen raus.
    Die Jüdinnen hießen dann plötzlich Sarah, und dann kam der Stern. Wir durften nicht mehr neben denen sitzen in der Schule.
    Angestellter, 1923
    Es war ja nicht so wie heute, daß man sich informieren konnte, man war ja im engsten Kreise und immer sehr isoliert. Man konnte sich nicht informieren, das kann heute keiner mehr begreifen.
    Ich war Lehrling in einem Textilgeschäft, und am Tage nach der Kristallnacht kam mein Ausbilder erst um 1/2 11 Uhr ins Geschäft, und der hat dann angegeben, was sie für Heldentaten vollbracht hätten, wie sie die Scheiben eingeschmissen hätten und die Krüppel nachts aus dem Bett geholt hätten. Das weiß ich noch. Und ich weiß auch noch, daß das in mir einen großen Abscheu erregt hat. Da bin ich abends durch die Stadt gegangen, Innenstadt, da waren einige Möbelgeschäfte und Uhrengeschäfte. Da bin ich zum erstenmal nachdenklich geworden. Das wurde aber durch Propaganda später sehr bald überspült, so daß man nicht sagen kann, daß das lange nachgewirkt hätte.
    Lehrer, 1925
    Ich kannte den Rabbiner, den hab’ ich mal im Zugabteil gesehen, vor dem Krieg, ein alter bärtiger Herr. Als Junge wurde mir bekannt, daß sie ihm 1938 den Bart ausgerissen und mit dem Spaten auf den Kopf geschlagen haben.
    Beamter, 1929
    In der Kristallnacht hörte ich das Trappeln vieler Menschen auf der Straße und die Feuerwehr. Am nächsten Tag war meine Mutter bedrückt. Wir gingen in die Stadt und sahen überall die zerschlagenen Läden und Wohnungen. Was mir auffiel: Niemand räumte da auf, kein Mensch war zu sehen.
    Verstanden hat man nichts.
    Buchhändler, 1928
    Nein, nie. Das einzige, daß hier im Möbelgeschäft die Scheiben eingeschlagen wurden, sonst nichts. Nichts gehört, nichts.
    Hausfrau, 1927
    Da weiß ich noch, wie sie das Haus demolierten und das Eingemachte aus dem Fenster schmissen. Er war Offizier gewesen, im Ersten Weltkrieg, Christ geworden und hatte ’ne arische Frau.
    Der Mann durfte dann im Krieg nicht in den Bunker. Nur die Frau mit dem Baby, weil die arisch war. Und der ist dann auch bei einem Angriff umgekommen.
    Landwirt, 1913
    Ich war damals zu Hause tätig als Landwirt und erfuhr, daß sie die Schaufenster eingeschlagen hatten von den betreffenden Geschäftsleuten. Ein Jude Frisch in Wismar hatte ein Schuhgeschäft, und das hat uns nicht gerade gefallen.
    Hausfrau, 1923
    Nach der Kristallnacht waren die Schaufensterscheiben der Geschäfte in der Breiten Straße » Globles«, » Hirschfeld«, » Etam« zerstört und die Auslagen herausgerissen. Wir fanden das furchtbar, haben uns aber weiter keine Gedanken darüber gemacht, weil wir noch zu jung waren. Wir hatten keinen großen Bekanntenkreis, daß man da mal was erfuhr.
    Vermessungsingenieur, 1922
    Nach der Kristallnacht wußten wir Schulkinder nicht, was passiert war. Mit dem Fahrrad auf dem Weg zur Theodor-Körner-Mittelschule sah ich die ersten zertrümmerten Geschäfte längs der Gräbschnerstraße. SA -Leute waren beim Plündern und auch andere. Die sollten bewachen und haben selber rausgeholt. Ein Geschäft lenkte besonders die Aufmerksamkeit auf mich. Es war ein Schuhgeschäft. Wir hatten auch dort früher Schuhe eingekauft. Zu meiner Verblüffung mußte ich feststellen, daß alle Auslagen aus dem Schaufenster schon entwendet waren, und in der Mitte stand als einziges ein Holzbein im Schaufenster, an welchem die Auszeichnungen EK I und andere angeheftet waren. Darunter stand ein Schild, worauf handschriftlich geschrieben stand: » Ist das der Dank des Vaterlandes?« Das blieb mir so in Erinnerung als Schulkind. Je mehr man in die Stadt reinkam, desto mehr war verwüstet. Die Schule fiel, glaube ich, aus.
    Das sehe ich heute noch vor mir.
    Zollbeamter, 1925
    Der Rechtsanwalt J., den sollen sie im Nachthemd durch die Stadt gejagt haben. Am nächsten Tag kam sein kleiner Sohn von auswärts, der war auf Erholung gewesen oder so was, den haben Freunde am Bahnhof abgefangen und erst mal zu sich genommen, daß er keinen Schock kriegt.
    Hausfrau, 1918
    Wenn ich dazu noch was sagen soll, dann muß ich gleich dabei anfangen mit der Kristallnacht, da war bei uns in Schwerin auch sehr viel los. Da war die Synagoge zerstört, da

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