Habgier: Roman (German Edition)
Warum sie sich unaufgefordert für eine Zusammenarbeit mit der Polizei entschieden hatte, darüber ließ sich nur spekulieren. Decker vermutete, sie hatte letztlich doch die Nase voll von Raymond Holmes. Die Bestätigung der Affäre ihres Mannes mit Roseanne Dresden, der innerfamiliäre Diebstahl ihres zusammengekratzten Geldes und dreißig Jahre nagender Schuld hatten sie an den Punkt gebracht, von dem aus es kein Zurück mehr gab. Sie wollte nicht nur den Mistkerl los sein, sondern sehnte sich nach Absolution für ihr Mitwirken an den vergangenen furchtbaren Taten. Decker konnte ihr diese Art der Versöhnung nicht bieten. Und auch die Devargas nicht, obwohl deren Akt des Verzeihens sicherlich mehr bedeuten würde als der von Decker. Die einzige Person, die Lindie Holmes wahrhaftig von Schuld freisprechen konnte, war tot.
Der Fall Holmes / Hernandez würde vor ein Schwurgericht gehen, so viel stand fest. Decker hatte getan, was er konnte, jetzt lag der Rest in den Händen eines fähigen Anklägers und zwölf intelligenten Menschen.
Während Lindie mit der Staatsanwaltschaft einen Deal aushandelte, der sie schließlich von ihrem Mann loslösen würde, hatte Decker Zeit, die Anrufe auf seiner Mailbox abzuarbeiten.
Marge hatte gute Neuigkeiten. »Die Matten schimmern blau wie der Südpazifik. Wenn nach einer professionellen Reinigung noch so viel Protein übrig ist, weiß nur der liebe Gott, welche Menge ursprünglich vorhanden war. Wir bemühen uns jetzt um einen Durchsuchungsbefehl für das Auto. Gleich morgen früh sollten wir mehr wissen.«
Decker blickte auf seine Uhr. Es war bereits nach »gleich morgen früh«. Er rief Marge vom Handy aus an. »Hallihallo.«
»Lange nichts gehört von dir«, erwiderte Marge, »also hattest du einen produktiven Abend.«
»Der vor ungefähr zehn Minuten zu Ende ging.«
»Erfolgreich?«
»Ja, aber die Geschichte ist kompliziert. Ich bin so gegen zwei wieder in Los Angeles. Habt ihr den Durchsuchungsbefehl?
»Wir haben den Durchsuchungsbefehl und das Auto und sind dran.«
»Prima. Darüber reden wir später. Handynetze sind nicht sicher, und soviel ich weiß, werden wir heimlich vom Feind abgehört.«
»Und wer ist der Feind?«
»Das wird sich noch herausstellen.«
Kaum war das Flugzeug gestartet, fiel Decker in Tiefschlaf. Er rührte sich nicht, bis er dank einer Stewardess ein sanftes Schütteln verspürte. Er brachte sich in einen nur noch halb benommenen Zustand, und sein Aufmerksamkeitsgrad reichte genau für die Fahrt von Burbank bis nach Hause. Allerdings war er zu erschöpft, um zu bemerken, dass er aus Versehen zu seinem Haus im West Valley statt ins Revier gefahren war. Rina sah ihn nur kurz an.
»Ab ins Bett. Gehe nicht über Los, zieh nicht zweihundert Dollar ein.«
»Unmöglich.«
»Wie lange bist du schon auf den Beinen?«
»Ein Weilchen.«
»Du bist ein lebender Toter.«
»Ich muss zurück ins Büro, sollte aber besser nicht fahren. Kannst du mich aufs Revier bringen?«
»Du bittest mich darum, deine Komplizin bei dieser Wahnsinnstat zu sein?«
» Endlich komme ich in beiden Fällen voran. Ich kann jetzt nicht aufhören.«
Rina seufzte. »Hast du was gegessen?«
»Hab mich mit Kaffee vollgepumpt. Selbst das hilft jetzt nicht mehr. Vielleicht bringt Eiweiß noch was.«
»Salami-Sandwich?«
»Zu deftig.«
»Eiersalat?«
»Das wäre toll, aber nur, wenn es keine Umstände macht.«
»Überhaupt nicht. Geh du erst mal duschen, und ich bereite dir was zu essen vor. Du wirst dich danach besser fühlen.«
Eine Dusche und etwas Essbares waren genau das Richtige. Er schleppte sich ins Schlafzimmer. Nach dem Waschen fühlte er sich schon ein wenig frischer. Er sollte jetzt eigentlich keine Zeit mit Essen verschwenden, aber er brauchte ein paar Minuten mit seiner Frau, um Kraft für seinen zerschlagenen Körper zu tanken. »Erzähl, was gibt’s Neues?«
»Deine Tochter hat in der Schule bei der Simulation der Vereinten Nationen teilgenommen, der MUN-Konferenz.«
»Das ist ja toll!«
»Hannah war sehr stolz. Mich hat es aber gar nicht erstaunt. Die Kleine könnte Debatten im obersten Gericht führen.«
»Wie wahr. Hast du mit Cindy und Koby gesprochen?«
»Denen geht’s gut.«
»Wie läuft der Umbau?«
»Zitat: ›Mike schickt der Himmel.‹ Wenn du an diesem Wochenende bei Bewusstsein bist, würde ich sie gerne zu Schabbes einladen.«
»Das wäre wunderbar. Um meine Dankbarkeit zu bezeugen, kümmere ich mich um die Rippchen.«
»Lecker,
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