Habgier: Roman (German Edition)
Begeisterung nicht anmerken zu lassen. »Ich bin beeindruckt. Entweder Sie meinen es ernst, oder Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht.«
»Ein guter Polizist ist immer gut vorbereitet, womit wir auch schon beim Anlass unseres Besuchs wären.«
»Tja, dann sollte ich Sie wohl hereinbitten.« Sie trat zur Seite. »Ich hoffe, Sie mögen Pink.«
Priscilla führte sie durch ein stattliches Treppenhaus in einen etwa vierzig Quadratmeter großen Raum: Pink an den Wänden, an der Decke, pinkfarbene Lampen und pinkfarbene Möbel. Es gab einen Tisch, einen Stuhl, zwei Sessel, die sich gegenüberstanden, dazwischen einen Couchtisch – ebenfalls in Pink. An den Wänden hingen jede Menge gerahmte Schallplatten – dreimal Platin, dreimal Gold – und ein komplettes Archiv aller Artikel und Fotos zum Leben von Priscilla und dem Major, wobei der Schwerpunkt auf Priscilla lag. Hunderte von Schwarzweißfotos: das Duo mit zwei Präsidenten, mit Senatoren, Gouverneuren, Bürgermeistern, mit ausländischen Würdenträgern inklusive Adeligen sowie zahlreichen anderen Berühmtheiten. Am Ende der Galerie kamen sechs Titelbilder von großen Magazinen und sechs Cover von Sonntagsbeilagen der wichtigsten Tageszeitungen. Jeder Platz, der nicht von Fotos beansprucht wurde, war bedeckt mit Zeitungsartikeln und Plattenbesprechungen – und alles war in Pink gerahmt.
Marge spürte, wie ihr Herz pochte. In dem Stofffetzen aus Nylon, der bei der verkohlten Leiche gerettet werden konnte, waren Spuren von pinkfarbenen Fäden gefunden worden. Sie sah sich aufmerksam in dem Raum um und las sogar einige der Artikel. Sie war überrascht, wie berühmt das Duo gewesen war. Oliver hatte ihr erzählt, dass ihre Musik in Zeiten, in denen politische Protestsongs geradezu hymnisch gefeiert wurden, als zu schmalzig galt. Selbst später blieben Priscilla and the Major ihrem eigenen Stil treu, als die Folk- und Acid-Bands den stampfenden und auf schnelles, eindimensionales Hüftschwingen ausgerichteten Rhythmen der Disco- und Dance-Music weichen mussten, die dank Kokain noch ausgelassener von den Clubbern zelebriert wurden. Und trotzdem waren die beiden ab Ende der Sechziger über die Siebziger bis in die frühen Achtziger erfolgreich, bevor schließlich der Gewohnheitsfaktor und ihr Alter sie überrollten.
»Wahnsinn«, sagte Marge, »das ist mal was ganz Neues.«
»Warum soll ich mir von meinen Stalkern eine Gruft bauen lassen, wenn ich mir meinen eigenen Schrein erschaffen kann?«, gab Priscilla zurück.
»Sie haben Stalker?«
»In meiner Glanzzeit hatte ich viele, junge Dame. Ich hatte alle Sorten von Fans, die Stunden anstanden, um Tickets für Priscilla and the Major zu ergattern, bis hin zu Bodyguards und Gigolos. Ich hatte Paparazzi und Journalisten, die mich ständig verfolgten. Ich bin den wichtigsten Menschen dieser Zeit begegnet, unter anderem mehreren Königinnen, einigen Königen und ein paar Präsidenten. Und ich dachte, es würde ewig so weitergehen.« Sie lächelte bitter. »Tat es aber nicht.«
»Das alles ist unglaublich.«
»Das alles erinnert mich ständig daran, dass es besser ist, es geschafft zu haben und dann abzustürzen, als es niemals geschafft zu haben. Und es bleibt genug, selbst wenn man langsam in der Versenkung verschwindet: Ich habe immer noch Geld, und ich kann einkaufen gehen, ohne belästigt zu werden. Ich lebe nicht in meiner Vergangenheit, aber ich genieße die Erinnerung an jeden verdammten Moment. Immer wenn ich den Blues kriege, suche ich dieses Zimmer auf, und dann sehe ich die Welt wieder rosarot. Jetzt setzen Sie sich aber bitte – beide – und sagen Sie mir, warum Sie hier sind.«
Da Oliver ganz eindeutig Priscillas Favorit war, beschloss Marge, ihm den Vortritt zu lassen. Er stöberte in seiner Aktentasche und brachte die Farbfotos zum Vorschein, auf denen die magere Ausbeute an forensischem Beweismaterial zu ihrer verkohlten Jane Doe dokumentiert war. »Hier ist Ihr Erinnerungsvermögen wirklich gefordert.« Er reichte ihr die Fotos. »Wir haben diesen Fetzen Stoff gefunden und fragen uns, ob Sie ihn einordnen können.«
Priscilla ging die Fotos schnell durch. »Was sehe ich mir da an?«
»Wir dachten, dass Sie uns das vielleicht sagen könnten.«
»Und warum glauben Sie, ich könnte Ihnen weiterhelfen?«
»Um ehrlich zu sein, vermuten wir, dass der Stoff von einer Jacke stammt, die als Souvenirs bei Konzerten verkauft werden.«
»Eine meiner Souvenirjacken?«
»Verraten Sie es uns.«
»Also
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