Habgier: Roman (German Edition)
geregelt, und genau deshalb sind wir hier. Ihr Leichnam wurde an der Absturzstelle nicht gefunden. Nachdem der Unfall jetzt schon eine Weile zurückliegt, gilt Roseanne Dresden als vermisst.«
Holmes zog ein neues Taschentuch hervor, mit dem er sich die Stirn abwischte. »Ich will ja nicht gefühllos oder abgeschmackt klingen, aber findet man denn bei solchen Unfällen immer die Leiche?«
»Nein«, sagte Decker. »Andererseits taucht meistens ein Hinweis auf, dass die Person tatsächlich an Bord war: persönliche Gegenstände oder wenigstens das Flugticket. Für die Flugbegleiter ohne Ticket gibt es in der Regel einen Einsatzplan. Bis jetzt haben wir nichts dergleichen.«
»Und niemand erinnert sich daran, sie an Bord gehen gesehen zu haben«, fügte Marge hinzu.
»Tatsache ist, dass wir einen gegenteiligen Hinweis haben«, fuhr Decker fort. »Das Bodenpersonal vom Check-in in Burbank schwört, dass Roseanne die Maschine nicht bestiegen hat.«
»Und deshalb behandeln wir Roseanne Dresden zurzeit als vermisste Person«, wiederholte Marge.
»Sobald am Unfallort etwas entdeckt wird, das Roseanne mit dem Flug in Verbindung bringt, ist unser Gespräch hier natürlich hinfällig. Aber da niemand irgendetwas von Roseanne gehört oder gesehen hat, untersuchen wir ihr Verschwinden.«
»Ich dachte, ich hätte gelesen, ihre Leiche sei identifiziert worden. So vor ein paar Wochen.«
»Es wurde ein Leichnam gefunden«, erwiderte Decker, »aber nicht der von Roseanne.«
Holmes tupfte wieder seine Stirn ab. »Wer denn dann?«
»Das wissen wir nicht.«
»Und woher wissen Sie, dass es nicht Roseanne ist?«
»Durch den forensischen Zahnabgleich. Die Zähne stimmen nicht überein.«
»Darauf berufen die sich?« Holmes blinzelte ein paarmal schnell hintereinander. »Auf Zähne?«
»Ja, Sir. Zahnschmelz ist der härteste Bestandteil im menschlichen Körper. Die Zähne bleiben oft intakt, selbst wenn der ganze Rest verbrennt.«
»Lassen Sie mich Ihnen sagen, warum wir hier sind, Mr. Holmes«, wechselte Marge das Thema. »Roseannes letzter Anruf von ihrem Handy ging über einen Funkmast in San Jose.«
Holmes antwortete nicht.
Marge nannte ihm das Datum des Anrufs. »Wir versuchen nur, Roseannes letzte Aufenthaltsorte vor ihrem Verschwinden nachzuvollziehen. Der Anruf kam aus San Jose, Sie leben in San Jose, Sie haben eine Beziehung mit der Verstorbenen...«
» Hatte , Detective«, widersprach Holmes, »Vergangenheit. Ich hatte eine Beziehung mit ihr. Wir haben uns vor ungefähr sechs Monaten getrennt, und ich habe sie seitdem nicht mehr gesehen.«
Die Polizisten schwiegen. Decker zählte innerlich bis sechs, dann redete Holmes weiter.
»Es tut mir leid, dass ich Ihnen da nicht weiterhelfen kann. Wenn Sie mich das schon am Telefon gefragt hätten, wäre Ihnen die Reise erspart geblieben und Sie hätten nicht Ihre Zeit verschwendet.«
»Aber wo wir schon mal hier sind, würden wir Ihnen gerne ein paar Fragen stellen«, sagte Decker.
»Um ein bisschen mehr über Roseanne zu erfahren«, fügte Marge hinzu.
Wieder sah der bullige Mann auf die Uhr. »Sie haben circa eine halbe Stunde Zeit.«
»Wann haben Sie Roseanne das letzte Mal gesehen?«, fragte Decker.
»An das genaue Datum erinnere ich mich nicht mehr, aber ich kann es in meinem alten Kalender nachschlagen. Es müsste drinstehen, weil wir an dem Abend im Percivil’s waren und ich reserviert hatte.« Sein Kiefer begann auf etwas Imaginärem herumzumalmen. »Ihr Lieblingsrestaurant.« Malm, malm. »Sie bekam ganz feuchte Augen, und da wusste ich, dass es aus war. Sie wollte sich wieder mit dieser Ratte von Ehemann versöhnen. Ich redete und redete, aber nichts konnte ihren Entschluss ändern.«
»Und danach haben Sie nie wieder etwas von ihr gehört?«
»Nein.«
»Wenn ich also das Datum überprüfe, das Sie uns genannt haben, und es mit Roseannes Handynummer abgleiche, würde ich keine Anrufe von Ihnen nach dem besagten Abend im Pecivil’s finden.«
Sein Kiefer verspannte sich sichtlich. »Was ich sagen wollte, war, dass ich sie seitdem nicht mehr gesehen habe. Ich glaube, ich hab sie noch ein paarmal angerufen.«
»Worum ging es bei diesen Anrufen?«, fragte Marge nach.
»Ich wollte sie dazu bringen, ihre Meinung zu ändern. Hat nicht geklappt. Das war’s dann, und ich hab’s irgendwann kapiert. Ende der Beziehung, Ende dieses Gesprächs.«
Decker lächelte. »Wie wär’s, wenn Sie uns noch ein paar Minuten gönnen?«
Ȇben Sie Nachsicht mit uns,
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