Habiru
prüfen, wie er reagieren würde, wenn sie es sagte.
»Ich komme aus der Zukunft. Ich liege in meinem Bett und träume nur von dieser Welt, und wenn ich erwache kann ich mich an alles erinnern. Gleichzeitig ist das hier sehr viel realer als ein Traum. Ich weiß nicht wirklich, was mit mir vor sich geht, deswegen will ich es ja herausfinden.«
Zuerst zeigte er ein Lächeln, als ob er an einen Scherz dachte - dann zeigte er Erstaunen, als er bemerkte, wie ernst ihnen die Angelegenheit war und zweifelte nicht länger an ihren Worten.
»Das ist ja interessant. Klingt wie eine Vision, die dir Lebenserfahrung bringen soll. Oder dir irgendetwas sagen will.«
»Das denken wir auch.«
Sie blickte zu Schena, die dabei ein freches Grinsen auflegte. Das waren fast genau ihre Gedanken gewesen.
Sarah kam das nun schon bald merkwürdig vor, eigentlich hätte sie erwartet, dass man sie als Lügnerin und Betrügerin bezeichnen würde. Die aufgeschlossene Art schien hier ein Wesensmerkmal vieler Menschen zu sein. »Wie bist du darauf gekommen, dass du aus der Zukunft kommst?«
Sarah zögerte und blickte sich wieder ratsuchend zu Schena und Nestas. Nestas nickte ihr aufmuntert zu. »Erzähl ihm alles, was du auch uns erzählt hast.« Sarah nickte zögerlich. Dann erzählte sie ihre Geschichte das zweite Mal.
»Ich versuche es kurz zu fassen. Eridu ist der Schlüssel. Ich suchte in meiner Welt Informationen zu dieser Stadt - und fand tatsächlich welche. In meiner Welt ist diese Stadt seit mindestens 5000 Jahren unbewohnt und verwüstet. Und liegt auch mitten in der Wüste.«
Mousuds Miene verdüsterte sich. »Das hört sich nicht gut an. Bist du dir sicher, dass es das gleiche Eridu ist?«
»Zuerst war ich es nicht, weil Eridu hier am Meer liegt. Aber dann habe ich herausgefunden, dass die beiden Flüsse mit ihren Sedimenten ständig das Land vergrößern. Und die Flüsse selbst waren auch Hinweis genug: Bei euch laufen Idiglat und Buranum erst hier zusammen ins Meer, bei uns vereinen sich die Flüsse mittlerweile 100 km vor der Meeresküste. Und auch der Flusslauf der Flüsse hat sich verändert. Eridu liegt in meiner Welt wirklich mitten in der Wüste, und der Euphrat, so nennt man bei uns anscheinend den Idiglat, führt in einiger Entfernung an dem historischen Eridu vorbei.«
Mousud schürte seine Lippen. »Historisches Eridu, entschuldige bitte, aber hört sich sehr ungewohnt an. Wie sieht das historische Eridu denn genau aus?« »Man fand bei Ausgrabungen die älteste Zikkurat, eine Terrassenpyramide.« »Was bitte soll das sein, eine Pyramide? Du hast dieses Wort jetzt schon das zweite Mal gebraucht.
Sarah wunderte sich. Selbst die kleinsten Kinder kannten doch schon die Form einer Pyramide. Sie holte Luft und begann zu erklären: »Na, Pyramiden! Das sind Gebäude, die in der Grundfläche quadratisch sind und mittels vier Dreiecksflächen sich zu einer einzigen Spitze verjüngen.«
So recht vorstellen konnten sich die Drei das wohl nicht, ihr plastisches Denkvermögen schien überfordert. Deshalb nahm Sarah einen in der Nähe liegenden Stock auf und malte die Form eines Dreiecks in den Sand. Dabei sagte sie: »Man kann es schlecht zeichnen, weil es ja eigentlich eine dreidimensionale Form ist - aber so sieht jede der vier Seiten aus.«
Nestas erkannte die Form. »Das ist das Zeichen der Vulva.«
»Der was?«
»Na der Vulva, das Lust- und Gebärzentrum jeder Frau.«
Sarah hielt einen Augenblick inne, diese Erkenntnis war ihr neu. »Aber natürlich.«
Dann zeichnete sie weiter.
»Und so sieht eine Pyramide aus, wenn man davor steht.«
Nun hatte sie versucht, möglichst dreidimensional die Pyramide zu zeichnen. »Man kann immer nur zwei Seiten sehen. Die Form ist so speziell, dass sie eine eigene Form der Mathematik ist. Man nennt es Geometrie.«
Diese Begriffe schien weder Nestas noch Mousud zu kennen, aber Sarah entschied, dass es keine weitere Erklärung ihres sowieso nicht geliebten Faches notwendig war, um Pyramiden zu verstehen.
Mousud war erstaunt. »Nein, so etwas haben wir wirklich nicht, und ich glaube auch nicht, dass man ein Bauwerk so bauen würde. Vielleicht ist es dir schon aufgefallen, wir bauen alles rund.«
Das war Sarah in der Tat schon aufgefallen, weil es den krassen Widerspruch zwischen dem von ihr beobachteten Eridu mit seinen Rundhäusern und dem historischen Eridu mit seinem Pyramidentempel wieder in ihr Gedächtnis rief. »Warum baut ihr eigentlich alles rund? Warum lebt ihr in
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