Habiru
gar nicht sein.
Sie fragte nach: »Sonnentag?«
Nesaja fiel ein, dass Sarah die Tagesnamen ja gar nicht unbedingt kannte, und erklärte die Bedeutung des Tages: »Ja, zu Ehren der Sonne. An diesem Tag wird normalerweise nur das nötigste gearbeitet, alles andere ruht. Ohne Sonne kein Licht und keine Wärme, und ohne das kein Leben. Ist doch verständlich,
warum das unser wichtigster Tag ist.«
Es klang wirklich wie Sonntag.
»Er heißt bei uns ähnlich, und er ist auch ein besonderer Tag.«
Wenngleich sie aus ihrem Konfirmationsunterricht eine andere Bedeutung im Kopf hatte, die erklärte, warum man an diesem Tag normalerweise ruhte. Etwas wegen der Schöpfung Gottes, der am 7. Tag seines Schöpfungswerkes ruhte. Aber an die Transformation von Erklärungen hatte sie sich fast schon gewöhnt. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass sie auf so etwas traf.
Nesaja lächelte: »Vielleicht sind unsere Welten doch nicht so verschieden!« Das konnte Sarah klar verneinen. Nun war sie aber neugierig. »Wie heißen denn die anderen Tage?«
»Sie heißen wie die Himmelskörper, die sich anders verhalten als die Sterne. Der Tag, der dem Sonnentag folgt, ist der Mondtag. Der Mond ist nach der Sonne der zweitwichtigste und zweithellste am Himmel. Nach Sonne und Mond richten wir übrigens auch unseren Kalender.«
»Und dann? Was kommt dann?«
»Es geht mit den nächsten Himmelskörpern weiter. Der Marstag, das ist der Rote Stern, folgt immer auf dem Mondtag. Dann kommt der schnelle Merkur, der am Himmel hin und her reist, aber nicht so hell ist. Merkurtag. Dann Jupiter. Er ist nicht immer zu sehen. Und dann ist Venustag. Dieser Stern ist morgens und abends zu sehen, er leitet Tag und Nacht ein. Und dann kommt der Saturntag.
Wie du siehst, alle Himmelskörper, die sich anders als die restlichen Sterne verhalten, haben einen Tag der besonderen Verehrung.«
In der Tat. Es war beeindruckend. Irgendwie waren die Reste dieser Namensgebung noch in ihrer Sprache übrig geblieben. Sonn- und Montag. Bei den anderen Tagen war ihr das nicht so klar. Aber im englischen gab es die gleiche Entsprechung. Sunday. Monday. Und der Saturntag erinnerte doch sehr an das englische Saturday.
Die restlichen Tage konnte sie nicht ableiten, es würde sie nun aber nicht mehr wundern, wenn man das nahtlos und in allen Sprachen könnte. Eines machte sie trotzdem stutzig. Es gab doch noch mehr Planeten. Was war mit Uranus, Neptun und Pluto?
Ihr war sofort klar, warum man diese Planeten nicht kannte - man könnte sie selbst am klarsten Sternenhimmel nicht mit dem bloßen Auge entdecken. Trotzdem war es zumindest verwunderlich, dass man hier so viel von den Planeten verstand. Waren nicht die meisten Planeten nicht erst ab dem Mittelalter entdeckt worden? Oder sollte man sagen: wiederentdeckt? Sie erinnerte sich dunkel an Galileo, der dem Weltbild der Kirche mit der Erde im Zentrum arg zusetzte, in dem er die Bewegung der Planeten beobachtete und erkannte, dass die Sonne das Zentrum unseres Planetensystems war.
Sie bedankte sich artig bei Nesaja und zog sich erst einmal zurück, um sich frisch zu machen und auszuruhen, bevor es Abendessen gab.
Auch am nächsten morgen war sie in Schenas Welt. Sie war wieder nicht zu Hause aufgewacht. Ihre Sorgen deswegen wurden größer. Trotzdem half sie weiter mit, wo sie nur konnte.
Die Mauer nahm von Tag zu Tag mehr Gestalt an. Sie würde über drei Meter hoch werden, und einen ganzen Meter dick. Nichts und niemand konnte diese ohne weiteres überwinden. Sarahs Hilfe ging aber über das reine Mitarbeiten hinaus. Sie machte beispielsweise den Vorschlag, Tore mit Flügeltüren zu bauen, die man mit einem Riegel verklemmen konnte. Dafür zeichnete sie ihre Vorstellung davon einfach auf den Sand - und sofort nachdem man diesen Vorschlag geprüft und für gut befunden hatte, machten sich einige auf den Weg, um die starken Holztüren zu bauen.
Die Mauer erinnerte sie aber auch täglich daran, dass sie hier gefangen war und nicht wieder in ihre Realität zurückgekehrt war, nach ihrem letzten Aufwachen in Erech.
Was passierte bei ihr zu Hause eigentlich, wenn sie nicht mehr aufwachte? Und die ganze Zeit über hier war? Sie wusste es nicht.
Mit jedem Tag, den sie nicht zurückkehrte, verblasste zudem ihr Bewusstsein, dass sie eigentlich nur träumte. Dafür war diese Welt schon immer zu real. Und je höher die Mauer wurde, desto mehr fühlte sie sich schuldig für diese Entwicklung. Sie fragte sich sogar, ob
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