Habitat C (German Edition)
wissen nicht, wie das ist. Ich sage Ihnen, meine Karriere hatte absolut keinen Wert. In einer bürokratischen Hierarchie die Leiter hochzuklettern, was soll das für einen Sinn haben? Irgendwann ist man am Ende angekommen, es gibt, je nach Amtsstellung, eine größere oder kleinere Feier, dann noch ein Abschiedsgeschenk, irgendeine nette Kleinigkeit. Man ist danach vergessen, die Erinnerung vergraben in einem Berg von Personalakten. Sie stirbt endgültig mit den Kollegen, die einem in den Ruhestand nachfolgen. Man hinterlässt nichts außer einem angewärmten Sessel. Ich war gut, ja. Ich bin gut. Aber das, was ich tue, was ich hier gemacht habe, das war nicht ich. Das war eine Rolle. Eine Aufgabe. Sie hat mich am Leben erhalten, aber es fehlte mir dazu jede Leidenschaft. Disziplin hatte ich, oh ja! Mehr als genug und weit hat sie mich gebracht. Aber Leidenschaft?«
Wieder das Kopfschütteln.
»Leidenschaft habe ich hier keinen Augenblick lang empfunden. Und was ist das für ein Leben, immer nur die Pflicht vor Augen und die Erwartungen der anderen? Das bringt einen doch um. Am Ende steht man mit leeren Händen da. Viel getan, unermüdlich, aber nichts erreicht, nicht gelebt, kein Vermächtnis, gar nichts. So werden Sie enden, Daxxel. Sie wissen es nur noch nicht. Eines Tages werden Sie dieses Gefühl der völligen, nachhaltigen, ewigen, unauslöschlichen Irrelevanz haben, es wird Sie überwältigen und egal, wie sehr Sie es rationalisieren oder erklären oder unterdrücken, das ist ein Schmerz, der täglich größer werden wird.«
»Und daraufhin haben Sie die Erfüllung woanders gesucht«, schloss Daxxel.
Felt lachte.
»Wieder Hobbypsychologie, ja? Sie sind erbärmlich, wissen Sie das? Ja, ich habe gesucht. Ich habe alles Mögliche probiert. Ich hatte so viele Hobbys. Ich habe mir alternative Berufswege vorgestellt. Aber in allem fand ich maximal ein kurz aufflammendes Interesse, eine beiläufige, schnell verfliegende Emotion. Keine Leidenschaft. Nichts Erfüllendes. Nichts, was blieb. Nichts, was mich ganz mitnahm, als Person, mit jeder Faser. Das habe ich gesucht, endlos lange gesucht.«
»Bis …«
Felts Augen begannen zu glänzen.
»Sie verstehen das wahrscheinlich nicht, Daxxel. Aber wenn man sehr komplexe Spiele hat … die Wege darin, die Optionen, die Kalkulationen … die Mitspieler mit ihren Stärken und Schwächen … man muss so viele Dinge auf einmal bewältigen und erkennt sofort, ob man dabei Erfolg hatte oder nicht. Und die anderen Spieler wissen, was man fühlt, und die Art von Respekt ist eine ganz andere als die staubtrockene Belobigung in der Jahresevaluierung. Sie ist … es ist … alles emotional, es umfasst alle Facetten einer Person, man ist so … vollständig, involviert, integriert.«
Felt holte tief Luft, sein Blick senkte sich wieder zu Boden. »Das ist es, was meine Haft so unerträglich macht, Daxxel. Nicht die Zelle, das Essen oder die schlechte Gesellschaft. Nicht die Vorwürfe oder Beschuldigungen oder die mürrischen Gesichter überarbeiteter Polizisten. Nicht einmal Ihre dumme Visage. Es ist die Tatsache, dass ich auf absehbare Zeit, vielleicht für immer, diese Form der vollständigen Integration, des Ich-selbst-Seins, nicht mehr erfahren werde.«
»Sie sind süchtig, Felt«, sagte Daxxel. »Sie bekommen die Chance auf Heilung. Das Angebot mache ich Ihnen jederzeit. Kooperieren Sie und Sie bekommen die Hilfe, die Sie benötigen.«
Felt lachte auf.
»Heilung? Sie wissen doch gar nicht, wovon Sie reden! Ich will keine verdammte Heilung, denn ich bin nicht krank. Ich lebe, Daxxel! Ich lebe im Spiel mehr, als Sie jemals in Ihrer jämmerlichen Existenz leben werden! Und weil Sie und andere das nicht begreifen oder weil sie alle neidisch darauf sind, diese Ebene niemals erreichen zu können, werfen Sie mir vor, nicht ganz bei Trost zu sein. Aber das ist meine eigene, persönliche Wahrheit. Es ist meine Freiheit. Ich bin nicht krank, ich brauche Ihre Ratschläge nicht und irgendeine Heilung schon gar nicht.«
Daxxels Gesicht blieb ohne Regung, die leidenschaftliche Antwort Felts prallte förmlich an ihm ab. Er erkannte nun, dass er mit seiner bisherigen Taktik keinen Zugang zu diesem Mann finden würde.
»Sie haben Geld gestohlen und veruntreut. Erhebliche Mittel.«
Felt zuckte mit den Achseln.
»Das ist Ansichtssache. Wir reden hier über Daten in den Computern von Banken. Digitales Geld, existent lediglich in unserer Vorstellung. Nicht viel mehr als Energie. Fehlt es
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