Hackenholt 06 - Reichskleinodien
Und es war ja nicht gerade vorhersehbar, dass das im Büro gleich die Runde macht.« Er streichelte verlegen ihren Bauch, bevor er sich räusperte und sie ansah. »Ja, es ist in der Tat so: Ich habe mich entschieden, meinem Kommissariat treu zu bleiben. Das heute Nachmittag war sozusagen die Feuerprobe – und ich habe sie bestanden.«
»Gratuliere.«
Hackenholt musterte Sophie; er war sich nicht sicher, ob sie es ironisch meinte.
»Nein, ganz im Ernst: Es freut mich wirklich, dass du dich fit fühlst und wieder loslegen möchtest.« Sie lächelte. »Trotzdem sollten wir die Koffer nicht gleich morgen früh packen. Denkst du nicht auch, dir würde die eine oder andere Sitzung mit Frau Dr. Schweiger diese Woche noch ganz guttun? Quasi begleitend zu deinem Wiedereinstieg?«
Als sie darauf nur eine gemurmelte Antwort erhielt, war ihr klar, dass Hackenholt die Kur offenbar am liebsten sofort abgebrochen hätte. Doch bevor sie dies kommentieren konnte, piepte sein Handy – und mit einem Mal war alles wie früher: Es würde keine Tages- oder Nachtzeit mehr geben, zu der es nicht sein konnte, dass ein Kollege anrief und etwas Dringendes von ihm wollte.
Diesmal war es Stellfeldt, der ihn darüber informierte, was die Nürnberger Beamten bei ihren Recherchen herausgefunden hatten: Wünnenberg war am Nachmittag ins Adidas-Outlet gefahren und hatte dort ein Rechnungsduplikat der mit der Scheckkarte bezahlten Einkäufe abgeholt, bevor er im Supermarkt dasselbe tat. Dabei befragte er unter anderem die Kassiererinnen und zeigte ihnen schließlich zwei von den Schweinfurter Ermittlern übersandte Fotos aus der Videoüberwachung. Doch auch derart gestützt erinnerten sich weder die zwei Damen noch andere Mitarbeiter an die Kunden.
Da gaben die Kassenbons für die Scheck- und die Kreditkartenzahlungen schon wesentlich mehr Aufschluss: Bei Adidas war eine Damenlederjacke der Größe M für fast sechshundert Euro gekauft worden, daneben ein Berg Damen- und Herrenbekleidung und Schuhe. Wünnenberg, der selbst ein passionierter Schuhkäufer war, mussten die Augen übergegangen sein: Insgesamt erstanden die Unbekannten zehn Paar Herren-Sneaker in den Größen vierzig zwei Drittel sowie zweiundvierzig, drei Paar Halbschuhe Größe achtunddreißig für Damen, sowie ein Paar Kinderschuhe der Größe siebzehn in Lila-Rosa – offenbar für ein Mädchen, das gerade das Laufen lernte. Aufgrund der unterschiedlichen Kleider- und Schuhgrößen kamen die Kriminaler zu dem Schluss, dass die Waren für vier verschiedene Personen bestimmt waren: zwei Männer, der eine eher schlank, der andere entweder sehr muskulös oder aber vollschlank, eine Frau mit normaler Figur und ein Kleinkind.
Im Supermarkt nahmen die Täter ausschließlich Spirituosen mit: Wodka, Whiskey, Branntwein, Schnaps und Rotwein. Keine Lebensmittel.
Während Wünnenberg die Geschäfte überprüfte, nahmen sich Baumann und Stellfeldt noch einmal Felix Kurz’ Freunde vor, mit denen sie am Freitag schon gesprochen hatten. Diesmal versuchten sie die Frage zu klären, was aus der Wohnungseinrichtung und den persönlichen Gegenständen geworden war – und vor allem: Wer war der Mann, der dem späteren Opfer beim Renovieren seiner Wohnung geholfen hatte?
Bislang waren ihre Recherchen relativ fruchtlos verlaufen. Eine Bekannte von Felix Kurz zeigte den Ermittlern vier Umzugskartons voller Bücher, Hausrat und Bettwäsche, die ihr zum Verkauf auf dem Trempelmarkt überlassen worden waren. Ein anderer Bekannter berichtete, er habe Felix die Mikrowelle und mehrere Töpfe abgekauft. Eine Kollegin wusste, dass das Sofa und der Schlafzimmerschrank vom Gebrauchtwarenhof abgeholt worden waren. Eine Nachbarin erhielt einen Karton voller angebrochener Lebensmittel und Konserven geschenkt. Vom Mountainbike fehlte jede Spur.
Die Frage, wer der Helfer war und wie Felix Kurz ihn kennengelernt hatte, konnte den beiden Beamten ebenfalls niemand beantworten.
Dienstag
Hackenholt war gerade vom Frühstück zurück in sein Zimmer gegangen, um seine Badehose zu holen, als ihn der Schweinfurter Hauptkommissar anrief.
»Hast du heute Morgen schon die Zeitung durchgeblättert?«
»Du meinst euren Zeugenaufruf und die veröffentlichten Bilder? Die sind ja wohl nicht zu übersehen. Ich wünschte, unsere Medien in Nürnberg wären derart kooperativ. Auf die Titelseite haben wir es mit einem Fahndungsfoto noch nie geschafft. Wie schaut es denn aus? Tut sich was bei euch?«
»Deswegen ruf ich dich an:
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