Hackenholt 06 - Reichskleinodien
doch, wie rachsüchtig diese jungen Frauen in ihrem verletzten Stolz reagieren – noch dazu, wenn es Südländerinnen sind.«
»Frau Förster, es steht außer Zweifel, dass die SMS vom Handy Ihres Gatten geschrieben wurde. Und wer außer ihm sollte sie sonst verfasst haben?«
Sie schwieg mit zusammengepressten Lippen.
»Wo waren Sie am Freitag, dem 14. Juni um elf Uhr zweiunddreißig?«, wechselte Wünnenberg abrupt das Thema.
»Keine Ahnung. Das ist fast drei Wochen her, das muss ich nachsehen.« Sie nahm einen Faltkalender aus ihrer Handtasche und blätterte darin herum. »Ach, jetzt erinnere ich mich: Ich war beim Arzt. Beim Orthopäden. Donnerstagabend bin ich im Sport umgeknickt und konnte nicht mehr auftreten. Mein Knöchel ist über Nacht sehr stark angeschwollen. Sascha meinte, ich soll ihn von einem Spezialisten anschauen lassen, weil ich mir ein Band gerissen haben könnte. Und wie das bei Ärzten nun mal so ist, sitzt man stundenlang im Wartezimmer herum – vor allem wenn man als Notfall eingeschoben wird. Ich bin an dem Tag erst um dreizehn Uhr in die Firma gekommen. Gerade noch rechtzeitig, um Giulietta abzulösen.«
»So, so«, brummte Wünnenberg und übergab wieder an Hackenholt, der keinen blassen Schimmer hatte, warum sich sein Kollege ausgerechnet nach den Geschehnissen an jenem Vormittag erkundigt hatte; allerdings ließ er sich das nicht anmerken.
»Schildern Sie uns als Nächstes bitte, wie der Mittwochnachmittag vergangene Woche abgelaufen ist.«
Sabine Förster seufzte tief. »Das war der Tag, an dem Sascha meinem Vater und mir eröffnete, dass er den Transport für das Museum angenommen hat.«
Hackenholt sah sie abwartend an.
»Mein Mann kam ungefähr gegen sechzehn Uhr in die Firma; bis dahin war er mit Transporten beschäftigt. Er rief mich zu meinem Vater ins Büro und hat dann uns beiden gesagt, er würde am nächsten Morgen zusammen mit Thorsten eins der Exponate aus der Reichskleinodien-Ausstellung zurück nach Wien bringen. Ich war sprachlos – und meinem Vater ging es nicht viel anders. Natürlich wollte ich von ihm wissen, wie er an den Auftrag kam, aber er meinte nur: ›Ein Gentleman genießt und schweigt.‹ Mein Vater war der Pragmatischere von uns beiden: Er hat Sascha gelöchert, was mit den Transportpapieren und der Versicherung ist. Leider hat in dem Moment das Telefon an meinem Platz geklingelt, sodass ich nach vorne gehen musste und nicht hörte, was Sascha ihm im Detail erzählt hat. Als ich zurückkam, waren jedenfalls beide bester Laune – was nur sehr, sehr selten passierte. Mein Vater hat völlig euphorisch verkündet, von nun an gehe es mit unserer Firma aufwärts, weil wir damit werben könnten, dass wir den Reichsapfel nach Wien gebracht hätten.«
»Sie sagten gerade, Sie mussten ins vordere Büro laufen und ans Telefon gehen – konnte Ihre Auszubildende den Anruf nicht entgegennehmen?«
»Nein, Giulietta war nicht da. Sie hatte am Mittwochnachmittag immer frei, weil sie sonst auf zu viele Wochenstunden gekommen wäre.« Als sie Hackenholts fragenden Blick sah, erklärte sie: »Unser Büro ist wochentags von sieben bis siebzehn Uhr besetzt. Zehn Stunden täglich. Das kann eine Person nicht abdecken. Und weil ich immer den Donnerstagnachmittag freihabe, haben wir gerechtigkeitshalber Giulietta den Mittwochnachmittag freigegeben. Die restliche Zeit teilen wir untereinander auf.«
»Wann hat Frau Veccio an jenem Mittwoch die Firma verlassen?«
»Wie immer: um dreizehn Uhr.« Sabine Förster klang erstaunt.
»Und Ihr Mann hat Ihnen erst nach sechzehn Uhr von dem Transport erzählt?«
»Ja, genau.«
Während Wünnenberg Frau Förster und ihren Anwalt zur Pforte begleitete, kehrte Hackenholt in sein Büro zurück. Auf seinem Schreibtisch lag schon wieder ein kleiner Stapel Telefonnotizen. Manchmal wurde er das Gefühl nicht los, es gäbe in seiner Dienststelle ein Heinzelmännchen, das nur damit beschäftigt war, Zettel zu schreiben und sie ihm in einem unbeobachteten Moment auf den Schreibtisch zu schmuggeln.
Vielleicht lag es aber auch daran, dass er des Öfteren mit seinen Rückrufen in Verzug geriet. Denn wie auch gestern interessierte ihn von allen Nachrichten lediglich die von Zögner.
»Wie ist euer Haftvorführtermin gelaufen?«
»Der Ermittlungsrichter hat Finn Schöller in U-Haft genommen.«
»Du klingst aber nicht wirklich zufrieden.« Hackenholt kannte Zögner mittlerweile gut genug, um solche Zwischentöne herauszuhören. »Was ist
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