Hades - Die Welt der Verbannten
Besonders denkst du zu viel über Hades nach. Ich möchte wissen, warum du wirklich hier bist. Was hast du gegen die Regierung unternommen, damit sie dich nach Hades schickte?«
Carter wußte, wie vorsichtig er sein mußte, auch Kim gegenüber.
»Vielleicht sind es ähnliche Gründe, die dich von der Erde verbannten. Eines Tages werden wir es wissen. Oder auch nicht.« Er nickte in Richtung des Fernsehapparats. »Wollen wir noch ein bißchen sehen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Du kannst ja, ich bin müde. Ich gehe schlafen. Willst du ein Bad nehmen?«
»Geh vor, ich komme später nach. Ich will nur noch schnell meinen Tagesbericht schreiben. Ich bringe ihn morgen vormittag zu Sidler.«
Er schrieb. Die Tür zum Schlafzimmer war offen. Dahinter lag der Baderaum. Carter hörte, wie Kim das Wasser einließ und sich entkleidete. Dann hörte er das Plätschern, als sie in die Wanne stieg.
Er schrieb einen kurzen Bericht über seine ersten Eindrücke auf Hades und in New-Bristol, ohne auf Einzelheiten einzugehen. Er lobte die technischen Einrichtungen des Verkehrswesens und flocht auch ein wenig Anerkennung für die Regierung ein, die es seiner Meinung nach verstanden hatte, aus Hades einen guten und bewohnbaren Planeten zu machen.
Dann wartete er, bis Kim das Wasser abließ und im Bett war. Er löschte das Licht und ging ins Schlafzimmer.
»Schläfst du schon, Kim?«
Nur ihr Kopf war zu sehen.
»Natürlich nicht. Ich bin müde, aber nicht todmüde, Rog.«
Er wartete, bis sich Kim zur anderen Seite drehte, dann zog er sich aus und verschwand im Badezimmer. Hinter sich schloß er die Tür. Die Situation, fand er, war mehr als heikel. Aber bei den auf Hades herrschenden Gesetzen hatte es keinen anderen Ausweg gegeben, wenigstens nicht für Kim. Vielleicht nahm er aber auch die ganze Sache viel zu ernst. Kim schien sie nicht so ernst zu nehmen.
Später, als er neben ihr im Bett lag, fragte Kim:
»Du sagtest auf dem Transport hierher zu Palatti, du wolltest fliehen. War das ernst gemeint oder nur eine Ausrede?«
Sein Alarmsystem im Unterbewußtsein warnte ihn sofort. Er war rechtschaffen müde und wollte schlafen. Warum mußte Kim ausgerechnet jetzt solche Fragen stellen, von deren Beantwortung soviel abhing? War Flucht von Hades überhaupt eine strafbare Handlung nach den hier geltenden Gesetzen?
»Natürlich war es nur eine Ausrede, oder glaubst du, man könnte von hier fliehen?«
»Ron Barker tat es auch.«
»Aber nicht von Hades. Er floh unterwegs, und ich bin überzeugt, daß er dabei unterstützt wurde.«
Sie seufzte.
»Im Augenblick denke ich überhaupt nicht an Flucht, ich fühle mich nämlich ganz wohl in meiner Haut. Ich finde es interessant, plötzlich verheiratet zu sein, dazu mit einem Mann, den ich mir selbst aussuchte. Auf der Erde hätte mich immer das Geld meines Vaters gestört.«
»Jetzt bist du aber auf mein kleines Gehalt angewiesen«, erinnerte er sie. »Das beruhigt mich.«
»Mich auch.« Sie rückte näher an ihn heran. »Eine Frau sollte immer das Gefühl haben, von ihrem Mann abhängig zu sein. In dieser Hinsicht halte ich nicht viel von der Gleichberechtigung. Sie hat den Menschen eine Menge Ärger eingebracht.«
»Ja, besonders den Männern«, meinte Carter lachend. Er spürte die Wärme ihres Körpers. »Soll ich das Licht löschen?« fragte er.
Sie machte ein übertrieben verwundertes Gesicht. »Hast du denn keine Angst mehr vor mir?« Als es dunkel war, sagte er:
»Ich hatte nie Angst vor dir, Kim.«
*
In den ersten zwei Wochen auf Hades geschah nichts, was Carter hätte beunruhigen können. Er lieferte täglich seine kurzen Artikel in der Redaktion ab, verfaßte wöchentlich einen längeren Bericht und wurde sogar von Sidler seiner sauberen Arbeit wegen gelobt.
Die Abende gehörten ihm und Kim.
Zu Beginn der dritten Wochen ließ Sidler ihn zu sich rufen.
»Das geht Sie an«, sagte der Chefredakteur, als Carter sich gesetzt hatte. »Die Bahn nach Rock-City wird morgen eingeweiht. Sie bekommen eine Pressekarte und machen die erste Fahrt mit. Eine Regierungsdelegation wird auch dabei sein. Alles Verkehrsexperten, um die Sie sich kümmern sollten. Die Entfernung nach Rock-City beträgt zweihundertfünfzig Kilometer, und wenn alles gut abläuft, braucht der Zug anderthalb Stunden. Sie kommen dann mit dem ersten planmäßigen Zug übermorgen wieder zurück und liefern mir Ihren Bericht ab.«
»Nimmt der Regierungschef an der Reise teil?« fragte Carter und
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