Hades - Die Welt der Verbannten
selbst riß den schweren Revolver unter dem Armaturenbrett hervor und richtete ihn auf die angeblichen Polizisten.
»Wer sich rührt, ist erledigt. Bestellt dem Chef, er müßte sich klügere Burschen als euch aussuchen wenn ihr es nicht vorzieht, diesen Vorfall für euch zu behalten.«
Carter wußte selbst nicht, warum er sich auf die Seite Ron Barkers schlug, der doch eigentlich sein Gegner sein sollte. Die Verschwörer waren seine eigentlichen Verbündeten – und die bekämpfte er.
Er achtete nicht auf den Verkehr, sondern war froh, als Kim endlich vor dem Hotel hielt. Jemand würde den Wagen schon in die Garage bringen, wenn man darum bat. Aber vielleicht brauchte er ihn heute noch.
Als Carter das Zimmer betrat, blieb er unwillkürlich stehen. Seinem geübten Blick entging es nicht, daß man den Raum gründlich durchsucht und alles wieder in Ordnung gebracht hatte. Aber eben doch nicht ganz.
»Barker oder Gegenseite?« murmelte Carter und verschloß die Tür. »Ich weiß bald nicht mehr, wer sich noch alles für uns interessiert. Sieht so aus, als gäbe es noch eine dritte Partei.«
»Ich bin müde.« Kim legte sich aufs Bett. »Ich möchte schlafen und dann gut essen. Wann fahren wir nach New-Bristol zurück?«
»Sobald wir abermals mit Gorm und vielleicht auch mit Barker gesprochen haben. Ohne entsprechende Schutzmaßnahmen sind wir jetzt unseres Lebens nicht mehr sicher. Wir wissen zuviel.«
Kim richtete sich auf.
»Würdest du mir eine Frage ganz ehrlich beantworten, wenn ich dich darum bitte, Rog?« Als er nickte, fuhr sie fort: »Bist du fest davon überzeugt, daß meine Verurteilung und Verbannung nach Hades mit rechten Dingen zugingen? Oder glaubst du, daß Barker dahintersteckt – oder gar mein Vater?«
»Ganz ehrlich, Kim, ich weiß es nicht. Ich bin aber überzeugt, daß bald Licht in das Dunkel kommt. Vielleicht schneller, als uns allen lieb ist.«
Das Visiphon summte.
Es war Hans Schwarz aus New-Bristol.
»Hier alles in Ordnung. Wann kommen Sie zurück?«
»Vielleicht schon morgen. Warum rufen Sie an, Hans?«
Der Arzt lächelte.
»Eigentlich wollte ich nur wissen, ob Sie noch leben«, sagte er dann. »Bis morgen also.« Der Schirm wurde dunkel.
Kim war aufs Bett zurückgesunken.
»Er ist wirklich sehr besorgt um uns«, sagte sie und schloß die Augen.
Carter setzte sich.
»Ja, das ist er.«
*
Als sie nach dem Essen auf ihr Zimmer gingen, wurden sie dort bereits erwartet. Gorm saß in dem bequemen Lehnstuhl und erhob sich, als Carter und Kim eintraten.
»Ich muß mich entschuldigen, daß ich bei Ihnen eindrang, aber der Portier gab mir den zweiten Schlüssel, als ich ihm meinen Ausweis unter die Nase hielt. Ich wollte Sie nicht im Speisesaal aufsuchen, um kein Aufsehen zu erregen, außerdem könnte es sein, daß man Sie oder mich beobachtet.«
»Das ist sogar sehr wahrscheinlich«, sagte Carter und berichtete von der Durchsuchung ihres Zimmers. »Jemand läßt uns nicht aus den Augen.«
»Er wird Schwierigkeiten haben, uns zu folgen, Carter. Ron Barker möchte mit Ihnen sprechen. Mit Ihnen beiden. Noch heute.«
Trotz seiner Überraschung mußte Carter lächeln.
»Das ging aber schnell. Dabei weiß ich nicht einmal, wo er wohnt.«
»Ich bringe Sie hin. Mein Wagen wartet unten. Kommen Sie – ohne Waffen natürlich.«
»Wir müssen die Waffen verstecken. Ich möchte nicht, daß man sie findet, wenn die Unbekannten wiederkommen und sich bei mir umsehen.«
»Ich habe einen Mann im Hotel postiert. Er wird niemand in das Zimmer lassen. Keine Sorge.«
Carter erhob sich. Kim zog sich einen leichten Mantel an.
»Sie haben an alles gedacht. Wie lange wissen Sie eigentlich schon, daß es eine revolutionäre Gruppe auf Hades gibt?«
»Es hat sie immer gegeben, Carter. Sie entstehen zwangsläufig, denn überlegen Sie doch nur einmal, mit welchen Voraussetzungen die meisten Sträflinge hier eintreffen.« Sie verließen das Zimmer, schlossen ab und verließen das Hotel durch den Hinterausgang. Im Hof stand ein schwarzer Wagen. Gorm fuhr selbst. »Jeder glaubt doch, anarchistische Zustände anzutreffen. Und was findet er? Ein geordnetes Leben. Eine starke Regierung, harte Gesetze und gesellschaftliche Disziplin. Das, mein lieber Carter, gefällt vielen nicht.«
»Ich verstehe«, sagte Carter und versank in Nachdenken.
Er begann einiges zu verstehen. Und er begann zu begreifen, daß auch er unter falschen Voraussetzungen hierhergekommen war, aber das war nicht seine Schuld.
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