Hades
Beerdigung.
«Nur ein Bekannter», antwortete Diego träge. «Jake hat gesagt, dass du ein Hübscher bist – er hat nicht gelogen.»
«Was willst du?»
«Dafür, dass ich dich mit meinem kleinen Finger umlegen könnte, bist du nicht gerade höflich», sagte Diego in seiner schleimig-affektierten Art.
«Du weißt schon, dass nebenan ein Erzengel und ein Seraph schlafen, oder?», erwiderte Xavier. «Die machen dich problemlos fertig.»
Diego kicherte in sich hinein. «Die Gerüchte über dich stimmen also tatsächlich! Du bist wie ein Löwenjunges. Es wäre wirklich einfach, dich zu töten.»
«Nur zu», zischte Xavier. Mir zog sich sofort der Magen zusammen.
Diego legte den Kopf zur Seite. «Oh, aber darum bin ich nicht hier. Ich soll dir eine Nachricht überbringen.»
«Ach ja?», sagte Xavier ohne ein Zeichen von Angst. «Worauf wartest du dann?»
«Unsere Quellen haben uns geflüstert, dass du und dein Engelsteam eine Rettungsmission starten wollen», feixte Diego. «Ich soll euch ausrichten, dass ihr damit nur eure Zeit verschwendet. Ihr könnt die Sache abblasen. Der Engel, den ihr sucht, ist tot.»
Eine lange Stille setzte ein. Xaviers Herz, das gerade noch gerast war, schien langsamer zu schlagen und dröhnte in seiner Brust, als wäre es aus Beton. Doch als er den Mund öffnete, zeigte er nicht das kleinste Gefühl.
«Ich glaube dir kein Wort», sagte er ruhig.
«Das habe ich erwartet», antwortete Diego. Sein lächelndes Gesicht wurde von dunklen Locken eingerahmt. Er fasste hinter sich und zog einen groben Jutesack hervor. «Darum habe ich dir ein Beweisstück mitgebracht.»
Er zog etwas Zusammengefaltetes aus dem Sack. Als er es ausbreitete, sah ich, dass es ein Stück eines gebrochenen, blutgetränkten Flügels war. «Du kannst es als Andenken behalten, wenn du willst», sagte er. Das Flügelstück war verdreht und verbogen, und die Federn klebten durch das geronnene Blut zusammen. Diego wedelte damit so heftig, dass sich die Blutstropfen über den Boden verteilten. Xavier atmete hektisch und krümmte sich, als ob ihn jemand in die Magenkuhle gestoßen und ihm jegliche Kraft genommen hätte. Seine türkisfarbenen Augen verdüsterten sich wie Wolken, die am Himmel aufzogen und die Sonne verdeckten.
«Höllenhunde», sagte Diego und nickte mitleidig. «Zumindest ging es schnell.»
«Er lügt!», schrie ich, aber meine Worte verloren sich in der Leere, die uns trennte. Der Wunsch, bei ihm zu sein, wurde so stark, dass ich fast schon dachte, ich würde die Grenzen der spektralen Form überwinden.
In diesem Moment rissen meine Geschwister die Tür auf. Zum ersten Mal zeigte Diego ein echtes Gefühl: Angst. Vermutlich hatte er nicht damit gerechnet, ihnen zu begegnen.
«Hast du etwa geglaubt, wir würden deinen Geruch nicht wahrnehmen?», fragte Gabriel mit vor Wut zitternder Stimme. Sein Blick fiel auf Xaviers Gesicht und schließlich auf den geschundenen, blutigen Flügel, den Diego auf den Boden hatte fallen lassen. Als auch Ivy ihn sah, nahm ihr Gesicht einen angewiderten Ausdruck an.
«Du bist wirklich das Letzte vom Letzten», sagte sie.
«Ich tue mein Bestes», antwortete Diego glucksend.
«Sagt mir, dass es nicht wahr ist», würgte Xavier hervor.
«Nichts als ein billiger Trick», antwortete Gabriel und kickte den Flügel zur Seite wie eine Theaterrequisite.
Xavier stöhnte erleichtert auf und lehnte sich an die Wand. Ich konnte mir vorstellen, wie er sich fühlte. Als ich dachte, dass Jake ihn mit dem Motorrad überfahren hatte, war die Trauer so lähmend gewesen, dass die Erleichterung mich schwindeln ließ.
«Was willst du hier?», fragte Gabriel.
Diego schob trotzig die Unterlippe vor. «Ich möchte nur ein bisschen Spaß haben. Die Menschen sind so gutgläubig, einfach dämlich.»
«Nicht so dämlich wie du», sagte Ivy, während Gabriel sich rechts neben Diego positionierte und ihn damit zwischen der Wand und der Tür einklemmte. «Du bist ganz von selbst in eine Falle gelaufen.»
«Ein bisschen so wie euer kleiner Engel», knurrte Diego, doch die Art, wie er die Finger krümmte, zeigte an, dass er nervös war. «Während wir hier plaudern, verbrennt sie im Höllenpfuhl, und es gibt nichts, was ihr dagegen tun könnt.»
«Das wollen wir erst mal sehen», sagte Gabriel.
«Wir wissen, dass ihr ein Portal sucht», startete Diego einen neuen Versuch, sie abzulenken und das Unvermeidliche hinauszuzögern. «Aber ihr werdet es nicht finden. Und wenn doch: viel Spaß beim
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