Hades
Baseball-Mütze, was ziemlich lässig wirkte, und war groß und muskulös. Es war Wesley Cowan, Wasserballer und einer von Xaviers engsten Freunden. Jeden Freitag, wenn wir auf dem Heimweg von der Schule an seinem Haus vorbeikamen, kniete Wesley in der Einfahrt und polierte den alten Mercedes seines Vaters für das anstehende Party-Wochenende. Ähnlich wie Xavier ließ er sich gewöhnlich durch nichts erschüttern oder aus der Ruhe bringen. Umso erstaunter war ich, ihn plötzlich so aufgelöst zu sehen, noch dazu in einem völlig verdreckten Hemd.
Molly packte ihn instinktiv am Arm. «Wesley, was ist los?»
Seine Brust bebte, während er versuchte, Worte zu finden. «Es gab einen Unfall am See!», keuchte er schließlich. «Ruft einen Krankenwagen!»
Ryan und seine Freunde waren mit einem Schlag nüchtern und zogen hastig ihre Handys aus der Tasche.
«Kein Netz!», fluchte Ryan nach ein paar Minuten vergeblicher Suche und schüttelte sein Handy. «Wir sind offensichtlich zu weit ab vom Schuss.»
«Was ist denn passiert?», fragte Molly.
Wesley warf mir einen eigentümlichen Blick zu, beinahe beschwörend oder entschuldigend. «Wir haben ihn herausgefordert, einen Kopfsprung vom Baum zu machen. Dabei hat er sich an einem Stein im Wasser den Kopf angestoßen. Seitdem ist er ohnmächtig.»
Er starrte mich wie paralysiert an. Warum ausgerechnet mich? Bis jetzt war ich ruhig geblieben, aber nun ergriff mich am ganzen Körper Panik wie eisige Finger. Nein, er sprach nicht von Xavier. Er konnte nicht von Xavier sprechen. Xavier war vernünftig, er war mitgegangen, um ein Auge auf die anderen zu haben. Wahrscheinlich leistete er gerade Erste Hilfe, bis der Krankenwagen kam. Aber ich brauchte Gewissheit, vorher hatte ich keine Ruhe. Da stellte schon jemand anderes die Frage, die mir so schwer über die Lippen kam:
«Wer ist es?»
Wesleys Blick war voller Schuld, und er zögerte einen Moment zu lange. Dann wusste ich die Antwort, bevor er den Namen laut ausgesprochen hatte.
«Woods.»
Es kam heraus wie eine schlichte Tatsache, ohne jegliche Emotionen, was mir aber erst wirklich auffiel, als ich mir die Szene später wieder ins Gedächtnis rief. In diesem Moment spürte ich nur, wie meine Beine unter mir nachgaben. Meine größte Angst, viel größer als die, dass mir selbst etwas zustieß, war Wirklichkeit geworden: Xavier war verletzt. Das war mehr, als ich ertragen konnte. Hilflos sackte ich gegen Ryan, der versuchte, mich festzuhalten, obwohl er selber Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht hatte. Das war also der Preis dafür, dass Xavier und ich Zeit ohneeinander verbracht hatten. Wie grausam konnte das Schicksal sein? Einen einzigen Abend waren wir getrennte Wege gegangen, und jetzt war er bewusstlos.
Wesley legte den Kopf in die Hände und stöhnte auf.
«Mann, wir sind so am Arsch.»
«War er betrunken?», fragte Ryan.
«Ja, sicher», blaffte Wesley. «Genau wie wir alle.»
In der ganzen Zeit, seit ich Xavier kannte, hatte er nie mehr als ein paar Bier getrunken. Nie hatte er etwas Härteres angefasst, er hielt einfach nichts davon. Es fiel mir schwer, ihn mir betrunken und leichtfertig vorzustellen. Es passte einfach nicht zu ihm.
«Nein», sagte ich wie betäubt. «Xavier trinkt nicht.»
«Ach nein? Na ja, es gibt für alles ein erstes Mal.»
«Haltet den Mund und ruft einen Krankenwagen!», brüllte Molly und legte mir einen Arm um die Schultern. Ihre rotbraunen Locken kitzelten mich an der Wange, als sie ihren Kopf an meinen lehnte. «Alles wird gut, Beth, er wird wieder gesund», sagte sie.
Wesley beobachtete uns. Auf mich wirkte er nicht mehr panisch, vielmehr schien er ein perverses Vergnügen an meinen Qualen zu empfinden. Die anderen diskutierten mittlerweile, was jetzt zu tun war. Alle redeten so durcheinander, dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstand.
«Wie schlimm steht es um ihn? Braucht er einen Arzt?»
«Wenn wir einen Krankenwagen rufen, sind wir alle dran. Immerhin sind die meisten hier auf der Party betrunken.»
«Ja, klar, tolle Idee», erwiderte jemand sarkastisch. «Lasst uns einfach abwarten. Vielleicht kommt er von selbst wieder zu sich.»
«Wie ernst ist es, Wesley?»
«Ich weiß es nicht.» Wesley sah betreten zu Boden. «Er hat sich den Kopf aufgeschlagen. Und er blutet ziemlich …»
«Mist. Dann müssen wir Hilfe holen.»
Die Vorstellung, dass Xavier blutend am Boden lag, rüttelte mich auf. «Ich muss zu ihm.» Ich stürzte auf Wesley zu. «Zeig mir den Weg
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