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Hades

Hades

Titel: Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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sehen.»
    Hanna führte mich durch die matt beleuchteten Gänge des Hotels. Die Teppiche waren so dick, dass wir zu schweben schienen wie Geister. Überall herrschte tiefe Stille, und falls es noch andere Gäste gab, war von ihnen jedenfalls nichts zu sehen. Wir betraten den gläsernen Fahrstuhl, der wie eine Blase in der Luft hing, und blickten zum Springbrunnen in der Lobby hinab.
    «Wo müssen wir hin?», fragte ich. «Hat Jake ein spezielles Verlies, von dem aus er seine Geschäfte führt?»
    «Nein. Aber im Erdgeschoss ist der Sitzungssaal.» Hanna schien jedes meiner Worte ernst zu nehmen, und ich beschloss, mir meinen Sarkasmus in Zukunft zu sparen.
    Wir liefen bis zu einer eindrucksvollen getäfelten Tür. Ganz offensichtlich war für Hanna der Weg hier zu Ende.
    «Es ist sicherer, wenn Sie alleine hineingehen, Miss», sagte sie deutlich. «Ihnen tut er nichts, das weiß ich.»
    Ich wollte nicht mit Hanna diskutieren. Natürlich war es nicht in meinem Sinne, sie Jakes Launen auszusetzen. Ich selbst verspürte keine Angst, ihm Auge in Auge gegenüberzutreten. Ganz im Gegenteil, ich wollte diese Begegnung, und sei es nur, um ihm zu sagen, was ich von ihm und seinen abscheulichen Plänen hielt. Er hatte mir bereits das Schlimmste angetan, was ich mir vorstellen konnte, er konnte mir nicht mehr weh tun.
    Jake machte einen nervösen Eindruck, als ich hereinkam, als ob er schon sehr lange auf mich wartete. Er war korrekter gekleidet als sonst, in maßgeschneiderter Hose, Hemd (mit geöffnetem Kragen) und dunkelviolettem Jackett. Er stand mit dem Rücken zum Kamin, während das Licht über seine schneeweiße Haut tanzte. Eine dunkle Haarsträhne fiel ihm in die Stirn und vor die glasigen Augen, die mich an einen Hai erinnerten. Ansonsten sah er eigentlich genauso aus wie früher. Als er mich bemerkte, begann er sofort, im Raum herumzutigern und einzelne Objekte einer Prüfung zu unterziehen. Aus einer Vase auf dem Tisch zog er eine langstielige Rose, schnupperte daran und zwirbelte sie sich um die Hand. Die Dornen und das Blut, das ihm die Finger hinablief, ignorierte er, als würde er keinen Schmerz empfinden. Was wahrscheinlich auch so war, vermutlich heilten seine Wunden sofort wieder.
    In der Mitte des Sitzungssaals prangte ein riesiger Tisch, der so gründlich poliert war, dass sich die Decke in ihm spiegelte. Um ihn herum standen Drehstühle mit hohen Lehnen. Fasziniert starrte ich auf den großen Monitor, der eine ganze Wand einnahm und auf dem Szenen aus den Clubs zu sehen waren. Die schweißglänzenden Leiber der Menschen waren so dicht gedrängt, dass sie miteinander zu verschmelzen schienen. Obwohl es nur auf dem Bildschirm zu sehen war, wurde mir bei dem Anblick schwindelig. Dann wechselte das Bild zu Statistiken und Rechnungen, bevor wieder die unermüdlichen Tänzer ins Bild kamen. Immer wieder wurden einzelne von ihnen angezoomt, über die dann Informationen eingespielt wurden.
    «Was hältst du von meinen Clubratten?», prahlte Jake. «Für alle Ewigkeiten verdammt zum Tanzen und Trinken. Die Idee ist von mir!» Er nahm einen Schluck von einem bernsteinfarbenen Getränk in seiner Hand. Am Rand eines Aschenbechers hing eine halb aufgerauchte Zigarette.
    Plötzlich hustete jemand. Ich drehte mich um und entdeckte, dass wir nicht allein waren. In einer Ecke saß ein Junge, nicht viel älter als ich, und streichelte eine schlafende Katze. Er trug ein kariertes Hemd und eine Hose, die ihm viel zu groß war und von Hosenträgern gehalten werden musste. Das braune Haar lag ihm so zackig in der Stirn, als hätte man es dort hingeklebt. Seine Fußspitzen berührten sich, was einen kindlichen Eindruck erweckte.
    «Beth, das ist Tucker. Er ist einer meiner Assistenten und wird ein bisschen auf dich aufpassen. Tucker, steh auf und gib Pfötchen», fuhr Jake den Jungen an, bevor er sich wieder ganz sanft mir zuwendete. «Entschuldige bitte sein rüpelhaftes Verhalten.»
    Jake schien in dem Jungen eine Art Haustier zu sehen, das noch abgerichtet werden musste. Als Tucker aufstand und auf mich zukam, bemerkte ich, dass er hinkte und sein rechtes Bein hinter sich herzog. Er hielt mir eine große, schwielige Hand hin. Von der Oberlippe bis zur Nase verlief eine tiefe Narbe, die seine Lippe leicht anhob und den Eindruck erweckte, dass er unentwegt grinste. Obwohl er groß war, wirkte er verletzlich. Ich versuchte, ihn anzulächeln, aber er machte ein finsteres Gesicht und wich meinem Blick aus.
    Weil Tucker

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