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Hades

Hades

Titel: Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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mich und Jake zu bringen wie möglich. Wenn es Portale in die Hölle gab, musste man auch irgendwie wieder herauskommen. Ich musste nur herausfinden, wie. Doch als ich in die verqualmten Tunnel hineinrannte, hallten Hannas Worte in meinem Kopf wieder. Er hat noch niemals jemanden gehen lassen.
    Unter dem Hotel Ambrosia waren die Tunnel tief, dunkel und voller Müll, Bierflaschen und ausgebrannter Autos. Die Tunnel krümmten sich in alle Richtungen, und ab und zu taumelten Leute vorbei – doch sie schienen so benebelt, dass sie mich nicht einmal bemerkten. Der leere Blick in ihren Augen zeigte deutlich, dass sie verdammte Seelen waren. Ich hoffte, die Straße zu finden, auf der wir zum Hotel gefahren waren. Vielleicht konnte ich die Türschlampen überreden, mich herauszulassen.
    Je tiefer ich in die Tunnel hineingeriet, desto bewusster nahm ich meine Umgebung wahr: den seltsamen Nebel oder den Gestank von verbranntem Haar, der so intensiv war, dass ich mir die Hand vor Mund und Nase hielt. Der Nebel umschmeichelte mich, leitete mich, und als er sich endlich lichtete, sah ich, dass ich nicht in der Nähe des Prides war. Genau genommen hatte ich absolut keine Ahnung, wo ich war. Doch ich spürte das Böse so intensiv, dass mir beinahe das Blut gefror.
    Plötzlich war ich von Fremden umringt. Wer oder was auch immer sie waren, ich war mir sicher, dass sie ursprünglich Menschen gewesen waren, auch wenn man sie jetzt nicht mehr als solche bezeichnen konnte. Sie wirkten eher wie Gespenster, irrten ziellos umher und konnten ungesehen in den dunklen Erdspalten verschwinden oder von dort auftauchen. Doch auch wenn ihre Blicke tot waren und sie mit den Händen sinnlos in die Luft griffen, konnte ich noch immer ihre Energie spüren. Ich konzentrierte mich auf das Wesen neben mir und versuchte zu begreifen, was vor sich ging. Es sah aus wie ein Anzugträger, mit korrekter Frisur und einer Brille mit Metallrahmen. Nach ein paar Minuten materialisierte sich eine Frau vor ihm, die in einer Küche stand. Die ganze Szene flirrte wie eine Luftspiegelung, aber ich hatte das Gefühl, dass sie für die Beteiligten sehr real war. Zwischen dem Paar entfachte eine hitzige Diskussion. Ich fühlte mich unbehaglich, als würde ich einem sehr privaten Moment beiwohnen.
    «Keine Lügen mehr. Ich weiß alles», sagte die Frau.
    «Du weißt nicht, was du sagst», erwiderte der Mann mit zitternder Stimme.
    «Ich verlasse dich.»
    «Sag das nicht.»
    «Ich ziehe fürs Erste zu meiner Schwester. Bis alles geregelt ist.»
    «Geregelt?» Der Mann wurde immer erregter.
    «Ich möchte mich scheiden lassen.» Die Entschlossenheit in ihrer Stimme ließ den Mann zusammenzucken. Ein leises ächzendes Geräusch ertönte.
    «Schweig.»
    «Ich habe genug davon, von dir wie der letzte Dreck behandelt zu werden. Wenn ich dich verlasse, kann ich wieder glücklich werden.»
    «Du gehst nirgendwohin.» Seine Körpersprache war eine einzige Drohung, aber sie bemerkte es nicht.
    «Geh mir aus dem Weg.»
    Als sie versuchte, sich an ihm vorbeizudrängen, zog er ein scharfes Messer aus dem Messerblock. Obwohl sie nicht real war, glänzte die Klinge und wirkte fest. Der Mann sprang nach vorne und schleuderte seine Frau gegen die Wand. Ich sah das Messer nicht kommen, aber im nächsten Moment steckte es in ihren Rippen. Doch statt Reue oder Schock zu zeigen, geriet der Mann beim Anblick des Blutes regelrecht in Ekstase. Er stach mehrfach hintereinander zu, ignorierte ihre Schreie, bis die Einstichstelle eine einzige blutige Masse war. Erst dann legte er das Messer zur Seite. Der Körper seiner Frau glitt zu Boden. Ihre Augen waren angstvoll geweitet, die Wangen von ihrem eigenen Blut beschmiert. Sobald sie auf dem Boden aufprallte, verschwand sie, und die ganze Küche löste sich mit ihr zusammen auf.
    Ich kauerte mit angehaltenem Atem in der Ecke und versuchte meine zittrigen Hände ruhig zu halten. Diese Szene würde ich nicht vergessen. Der Mann wirkte benommen, lief im Kreis, und einen schrecklichen Moment lang dachte ich, er hätte mich bemerkt. Aber dann erschien erneut die Frau vor ihm, unversehrt und ganz.
    «Schluss mit deinen Lügen. Ich weiß alles», sagte sie.
    Es war, als hätte jemand erneut die Play-Taste gedrückt, und ich ahnte, dass sich die ganze Szene nun erneut vor meinem Auge abspielen würde. Die beiden waren dazu verdammt, sie bis in alle Ewigkeiten aufs Neue zu erleben. Auch die anderen Gestalten um mich herum durchlebten ihre Verbrechen immer

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