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Hades

Hades

Titel: Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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zu ihr oder gab ihr einen Rat. Für jede Nacht und jede Mahlzeit, die sie unversehrt überstand, musste sie dankbar sein. Ich hatte das Gefühl, dass Hanna jede Qual wie eine Märtyrerin durchstehen würde, weil sie fand, dass sie nichts Besseres verdient hatte.
    Sie lehnte sich seufzend zurück. «Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, so lange habe ich schon nicht mehr über mein früheres Leben gesprochen.»
    «Fang einfach irgendwo an», schlug ich vor.
    «Dann beginne ich in Buchenwald», sagte sie leise. Sie klang plötzlich distanziert, zeigte keine Regung in ihrem jungen Gesicht, fast als würde sie irgendeine beliebige Geschichte erzählen, nicht ihre eigene, persönliche.
    «In dem Konzentrationslager?», fragte ich ungläubig. «Warst du dort? Ich hatte keine Ahnung.» Als ich sah, dass Hannas Gedankenfluss stockte, bedauerte ich meine Unterbrechung sofort. «Bitte, sprich weiter.»
    «Damals hieß ich Hanna Schwartz. 1933 war ich sechzehn. Es herrschte eine schlechte Wirtschaftslage, wir hatten wenig Geld, und ich hatte nichts gelernt, also trat ich in die Hitlerjugend ein. Als das KZ Buchenwald errichtet wurde, schickte man mich als Arbeiterin dorthin.» Sie stoppte und holte tief Luft. «Ich wusste, dass alles, was dort geschah, falsch war. Nein, nicht einfach nur falsch, ich war vom Bösen umgeben, hatte aber das Gefühl, machtlos zu sein und nichts dagegen tun zu können. Außerdem wollte ich meine Familie nicht im Stich lassen. Um mich herum fragten die Leute: Wo ist Gott? Wie kann er all das geschehen lassen? Ich habe versucht, nicht darüber nachzudenken, aber tief in mir war ich wütend auf Gott und gab ihm die Schuld an allem. Ich hatte vor, um Versetzung zu bitten, das Lager zu verlassen und nach Hause zurückzukehren, als ein Mädchen ankam, das ich von früher kannte. Als Kinder hatten wir zusammen gespielt. Sie wohnte bei mir in der Straße und ging in die Schule am Ort. Ihr Vater war Arzt, er hat einmal meinen Bruder behandelt, als er Masern hatte, und kein Geld dafür verlangt. Das Mädchen, Esther, lieh mir manchmal ihre Schulbücher, weil sie wusste, wie gerne ich gelernt hätte. Ich war damals noch zu klein, um zu begreifen, was der Unterschied zwischen uns beiden war. Alles, was ich wusste, war, dass sie reicher war als ich, zur Schule ging und jüdisch war. Später habe ich mitbekommen, dass die SS ihre Familie enteignet und zwangsumgesiedelt hatte. Aber erst an jenem Tag in Buchenwald sah ich sie wieder. Auch ihre Mutter war dort, und ich versuchte, von beiden nicht gesehen zu werden. Esther ging es schlecht, mit der Zeit immer schlechter. Irgendetwas war mit ihrer Lunge nicht in Ordnung, sie bekam keine Luft. Weil sie zu schwach war zum Arbeiten, ahnte ich, welches Schicksal ihr bevorstand. Es war nur eine Frage der Zeit. Doch das wollte ich nicht einfach so geschehen lassen.
    Genau zu dieser Zeit lernte ich Jake kennen. Er war einer der jungen Aufseher im Lager, sah aber damals ganz anders aus als heute. Er hatte helleres Haar und wirkte in seiner Uniform ziemlich unauffällig. Ich wusste, dass ich ihm gefiel. Immer wenn ich den Aufsehern Essen brachte, lächelte er mich an oder versuchte, mich in ein Gespräch zu verwickeln. Eines Tages, als ich wegen Esther ganz niedergeschlagen war, fragte er mich, was los sei. Ich machte den Fehler, ihm zu vertrauen, und erzählte ihm von meiner Sandkastenfreundin. Als er meinte, dass er mir vielleicht helfen könnte, konnte ich mein Glück kaum fassen. Ich wünschte mir so sehr, eine gute Tat zu vollbringen und wieder in den Spiegel sehen zu können. Außerdem fand ich Karl, wie Jake sich nannte, sehr anziehend. Allein der Gedanke, dass jemand wie er mich bemerkt hatte und sogar Interesse für meine Sorgen zeigte, schmeichelte mir enorm. Er fragte mich, ob ich an Gott glaubte. Falls es ihn gibt, sagte ich, muss er mich verlassen haben, so wie mein Leben verlaufen ist. Jake sagte, dass er mir vertraue und mir daher gern ein Geheimnis anvertrauen würde. Dann erzählte er mir, dass er einem höheren Meister diente, einem Meister, der Loyalität belohnte. Wenn ich diesem Meister unsterbliche Treue schwor, könnte ich Esther helfen. Für mein Opfer würde ich mit dem ewigen Leben belohnt werden. Angst bräuchte ich nicht zu haben.
    Wenn ich heute daran zurückdenke, frage ich mich, warum er gerade mich ausgewählt hatte. Wahrscheinlich war ihm langweilig und er hat etwas zu spielen gesucht.» Hanna verstummte, ihre Gedanken schienen in die

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