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Hades

Hades

Titel: Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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dem Bett, das Gesicht im Kissen verborgen. Er hatte sich nicht einmal die Schuhe ausgezogen. Auf dem Boden lag verloren eine dicke Ausgabe von «Die besten 371 Colleges». Bernie, Xaviers Mutter, hatte auch mir ein Exemplar gegeben und darauf bestanden, dass wir beide eine Liste unserer persönlichen Top Ten erstellten. Ich musste lächeln, als ich mich an das Gespräch erinnerte, das Xavier und ich ein paar Tage vor der Halloween-Party geführt hatten. Wir hatten auf der Wiese gelegen und uns abwechselnd Infos über die Colleges vorgelesen, die wir in die engere Wahl gezogen hatten.
    «Wir gehen doch aufs gleiche College, oder?», hatte Xavier gefragt. Es war eher eine Feststellung als eine Frage.
    «Das hoffe ich», hatte ich geantwortet. «Aber das hängt vor allem davon ab, ob sie mich woandershin schicken möchten.»
    «Die können mich mal. Kein Ob und Wenn mehr, Beth. Wir haben genug durchgemacht, um uns dieses Recht zu verdienen.»
    «Okay», hatte ich gesagt und es auch so gemeint. Dann hatte ich das dicke Buch wieder auf die Knie genommen und darin geblättert.
    «Wie wäre es mit Penn State?», hatte ich mit Blick auf das Inhaltsverzeichnis gefragt.
    «Soll das ein Witz sein? Meine Eltern würden einen Herzinfarkt bekommen.»
    «Warum? Was ist damit nicht in Ordnung?»
    «Es ist als Party-Hochburg bekannt.»
    «Ich dachte, du darfst dich frei entscheiden?»
    «Ja, schon, aber trotzdem wollen sie eigentlich, dass ich auf die Ivy League gehe. Oder wenigstens nach Vanderbilt.»
    «Was ist mit der University of Alabama?», hatte ich gefragt. «Da wollen Molly und die anderen Mädchen hin.»
    «Noch mal drei Jahre Molly?» Xavier hatte scherzhaft die Nase gerümpft.
    «Dieses Collge hier heißt ‹Ole Miss›. Klingt gut, finde ich», hatte ich verträumt gesagt. «Was meinst du? Es liegt in einer kleinen Stadt, wie Venus Cove. Da hätten wir unsere eigene kleine Welt.»
    Xavier hatte gelächelt. «Klingt gut für mich. Und es ist auch nicht so weit weg von zu Hause. Setz es auf die Liste.»

    Mir war, als wäre es erst gestern gewesen, dass wir so miteinander geplänkelt hatten. Und hier lag Xavier jetzt, völlig fertig, seine Zukunft in Scherben. Er drehte sich auf den Rücken und starrte mit leerem Blick an die Decke. Mit den Gedanken schien er weit weg zu sein. Sein Gesicht zeigte deutliche Anzeichen von Erschöpfung. Ich kannte ihn gut genug, um seine Stimmung zu spüren, er grübelte: Was jetzt? Was soll ich tun? Gibt es etwas, das ich tun kann?
    Xaviers rationale Seite war ziemlich stark ausgeprägt. Das war auch der Grund, warum viele Leute mit ihren Problemen zu ihm kamen. Nur das, was er jetzt zu lösen hatte, streckte ihn zu Boden. Er konnte es von so vielen Seiten betrachten, wie er wollte, es spielte keine Rolle: Er fand keine Antwort. Hilflosigkeit war ein Gefühl, das Xavier nicht gewohnt war, und ich war sicher, dass es ihn fast umbrachte.
    Ich dachte daran, was ich ihm alles gern ins Ohr geflüstert hätte. Mach dir keine Sorgen. Wir bekommen das hin. Wie immer. Wir sind unbesiegbar, schon vergessen? Es war merkwürdig, dass unsere Rollen jetzt vertauscht waren. Dieses Mal war ich es, die versuchen musste, Xavier aufzubauen. Ich bewegte mich so weit vorwärts, dass ich nur noch Zentimeter vor seinem Gesicht schwebte. Seine Augen waren halb geöffnet, ein winziges Stück Himmel, aber mit einem melancholischen Ausdruck und ohne das übliche Strahlen. Sein walnussbraunes Haar lag auf dem Kissen, und seine Lider glänzten vor Tränen. Der Anblick wühlte mich so sehr auf, dass ich beinahe wegschauen musste. Dies war nicht der Xavier, den ich kannte. Normalerweise waren seine Augen auch dann voller Leben, wenn er ernst war. Jeder Raum, den er betrat, wurde hell. Er war der Schulsprecher der Bryce Hamilton, von der gesamten Schülerschaft respektiert und geliebt. Niemand sprach je ein böses Wort über ihn. Ihn so besiegt zu sehen, war unerträglich.
    Es klopfte leise an der Tür, was mich so sehr aufschreckte, dass ich durch das ganze Zimmer flog. Der Luftzug, den ich dabei verursachte, war so stark, dass ein Stuhl umfiel. Aber Xavier bemerkte es kaum. Gleich darauf öffnete sich die Tür einen Spaltbreit und Bernie steckte den Kopf ins Zimmer. Es schien ihr unangenehm zu sein, ihn zu stören, aber ihre Sorge überwog. Ich sah ihr an, wie sehr sie Xavier liebte und beschützen wollte. Er war so schön, dass er selbst ein Engel hätte sein können, aber auch so traurig, dass es mir Angst

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