Hades
Vergangenheit zu wandern. «Damals klang alles so einfach.»
«Was ist dann passiert?», fragte ich, obwohl die Antwort offensichtlich war.
«Esther wurde gesund. Jake stellte sie wieder so weit her, dass die Wachen keinen Grund mehr hatten, sie zu töten, und ich kam in die Finsternis. Aber ich bin mir nicht sicher, ob Jake seinen Teil des Vertrags auch wirklich erfüllt hat …»
«Wieso?», fragte ich atemlos.
«Er hat sie gesund gemacht, ja.» Hannas traurige braune Augen flackerten, als ihr Blick meinen traf. «Aber das hat sie nicht vor den Gaskammern bewahrt. Zwei Wochen später war sie tot.»
«Er hat dich betrogen!», rief ich fassungslos. «Du hast ihm deine Seele verkauft, und er hat dich ausgetrickst! Das ist abscheulich, sogar für jemanden wie Jake!»
«Ich hätte es schlimmer treffen können», sagte Hanna. «Als ich in Hades geworfen wurde, habe ich es irgendwie geschafft, die Höllengrube zu umgehen. Ich wurde für die Arbeit im Hotel ausgewählt und bin seitdem hier. Sie sehen also, Miss, ich habe mir die ganze Misere selbst zuzuschreiben. Ich darf mich nicht beklagen.»
«Aber du hast in guter Absicht gehandelt, Hanna! Und für jeden gibt es Hoffnung.»
«Das mag auf der Erde so sein. Aber hier ist Endstation. Ich hoffe auf nichts mehr und glaube nicht an Wunder.»
«Du hast den Teufel gesehen», sagte ich. «Warum kannst du nicht auch an die Macht des Himmels glauben?»
«Für jemanden wie mich kennt der Himmel keine Gnade. Ich habe einen Pakt geschlossen und gehöre jetzt in die Hölle. Nicht einmal ein Engel kann diese Fesseln lösen.»
Ich setzte mich stirnrunzelnd auf den Bettrand. Hatte Hanna womöglich recht? Banden die Gesetze von Himmel und Hölle sie tatsächlich an dieses Gefängnis? Aber ihr Opfer musste doch für irgendetwas gut gewesen sein. Sie hatte ihre Strafe verbüßt. Oder liefen die Dinge hier anders?
Ich hoffte, dass ich ihr nichts versprochen hatte, was ich nicht halten konnte.
Hanna war mittlerweile dazu übergegangen, meine Frisierkommode abzustauben. Dort standen hauptsächlich französische Parfüms, Lotionen und Puder – alles Dinge, von denen Jake glaubte, sie würden mich glücklich machen. Er hatte wirklich absolut keine Ahnung.
Hanna eilte durch das Zimmer und versuchte, jeden Blickkontakt mit mir zu vermeiden.
«Du glaubst nicht, dass sie mich finden, oder?», fragte ich leise.
Statt einer Antwort begann sie noch energischer zu putzen als vorher. Ich verspürte einen unbändigen Drang, sie an den Schultern zu packen und zu schütteln, damit sie begriff. Denn wenn ich es schaffte, Hanna zu überzeugen, konnte ich vielleicht auch selbst glauben, dass ich nicht in alle Ewigkeiten eine Gefangene sein würde.
«Du kapierst nicht!», schrie ich zu meiner eigenen Überraschung. «Du begreifst nicht, was ich bin. Sämtliche Erzengel plus ein Seraph sind auf der Suche nach mir! Sie werden einen Weg finden, mich hier herauszuholen!»
«Wenn Sie meinen, Miss», antwortete Hanna automatisch.
«Sag das nicht so.» Ich blickte sie an. «Was glaubst du wirklich?»
«Also gut, ich sage Ihnen, was ich denke.» Hanna ließ das Staubtuch sinken und sah mir in die Augen. «Wenn es für die Engel so einfach wäre, dieses Gefängnis zu stürmen, hätten sie es dann nicht längst gemacht?» Hannas Ton wurde sanfter. «Wenn sie die gepeinigten Seelen einfach so befreien könnten, würden sie es dann nicht tun? Würde Gott nicht einschreiten? Sie sehen, Miss, Himmel und Hölle gehorchen Gesetzen, die so alt sind wie die Zeit. Kein Engel kann uneingeladen die Hölle betreten. Oder glauben Sie, ein Dämon könnte einfach so in den Himmel hineinspazieren?»
«Das ist absolut unmöglich», sagte ich und versuchte zögernd, ihren Gedankengängen zu folgen. «Nicht in einer Million Jahren. Aber das ist etwas anderes. Oder?»
«Es gibt nur eins, was vielleicht zu Ihren Gunsten sein könnte: Jake hat Sie mit einem Trick dazu gebracht, ihm zu vertrauen. Genau wie er sollten die Engel nach einem Schlupfloch suchen. Das ist nicht unmöglich, aber sehr schwierig. Die Eingänge zur Hölle sind gut bewacht.»
«Ich glaube dir nicht», verkündete ich so laut, als würde ich zu einem ganzen Publikum sprechen. «Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, und Xavier hat einen stärkeren Willen als sonst jemand.»
«Ach ja, der Junge aus Ihrer Heimatstadt», sagte Hanna bedauernd. «Ich habe von ihm gehört.»
«Was hast du gehört?», fragte ich in Alarmbereitschaft.
«Der Prinz ist
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