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Hades

Hades

Titel: Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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ausgegangen, denn stattdessen stand eine Rolle Küchenpapier auf dem Tisch. Es war deutlich, dass niemand die üblichen Routinearbeiten erledigte, allem voran Einkaufen und Kochen. Gabriel und Xavier saßen sich starr gegenüber. Auf einmal sprang Ivy vom Tisch auf, begann das Geschirr abzuräumen, stellte den Wasserkessel an, hastete von der Küche zum Esstisch und wieder zurück. Ihre weißgoldenen Locken schwangen im Takt der Bewegung mit. Was auch immer diskutiert worden war – es war offensichtlich, dass sie keine Einigung erzielt hatten. Die drei schienen auf eine Eingebung zu warten, auf einen Geistesblitz. Aber ihr Kopf schien genauso erschöpft zu sein wie sie selbst, und so war eine neue Idee unwahrscheinlich. Irgendwann öffnete Gabriel den Mund, schloss ihn aber gleich wieder. Sein Gesichtsausdruck wurde so leer wie vorher.
    Als die Türklingel die ohrenbetäubende Stille zerriss, erstarrten alle. Phantom spitzte die Ohren und wollte zur Tür laufen, aber Gabriel befahl ihm schweigend, dazubleiben. Phantom drückte seinen Protest mit einem leisen Winseln aus, gehorchte aber. Niemand rührte sich, doch wer immer an der Tür war, klingelte erneut, dieses Mal länger und ungeduldiger. Gabriel beugte den Kopf und seufzte, als ihm seine himmlische Gabe erlaubte, einen inneren Blick auf den Besucher zu werfen.
    «Es ist Molly. Ich denke, wir sollten öffnen», sagte er.
    Ivy sah ihn fragend an. «Ich dachte, wir waren uns einig: keine Besucher.»
    Gabriel konzentrierte sich mit kritischem Blick auf die Gedanken des Wartenden. «Wir haben keine Wahl», sagte er schließlich. «Sie wird nicht gehen, bevor wir mit ihr gesprochen haben.»
    Ivy schien mit Gabriels Beschluss nicht wirklich einverstanden zu sein – vermutlich wollte sie mehr Zeit, um eine Entscheidung zu fällen –, aber die Atmosphäre im Zimmer war so angespannt, dass sie mit zusammengepressten Lippen zur Tür ging. Noch immer lief sie mit schwanengleicher Grazie, ihre Füße berührten kaum den Boden. Im Gegensatz dazu stampfte Molly regelrecht ins Zimmer, mit hochrotem Kopf und wild herumfliegenden roten Locken. Sie legte sofort mit ihrer üblichen unverblümten Direktheit los.
    «Na endlich», sagte sie. «Wo zum Teufel habt ihr alle gesteckt?»
    Es freute mich zu sehen, dass Molly sich kein bisschen verändert hatte, aber ihr Anblick erfüllte mich auch mit Traurigkeit. Bis zu diesem Moment war mir nicht bewusst gewesen, wie sehr ich sie vermisste. Molly war meine älteste Freundin, meine beste Freundin und eine meiner stärksten Verbindungen zu den Menschen. Und da stand sie jetzt, so nah und doch so fern. Ich konnte den zarten Hauch von Sommersprossen auf ihrer Nase sehen, ihre helle Pfirsichhaut und die langen Wimpern, die ihre Wangen berührten. Die Vorstellung, dass meine Erinnerungen an die Erde verblassen könnten, war entsetzlich, und ich war Tucker so dankbar für dieses Geschenk. Ich hätte es nicht ertragen können, mich nur vage an Korkenzieherlocken und ein schönes Lächeln zu erinnern, statt an die ganze Molly. Jetzt konnte ich sie sehen, wann immer ich wollte. In diesem Moment blickte sie sich mit anklagendem Blick in den blauen Augen im Raum um, eine Hand dabei herausfordernd an die Hüfte gelegt.
    «Schön, dich zu sehen, Molly», sagte Gabriel. Es klang beinahe ernst gemeint. Ihre Lebendigkeit schien ein wenig die Düsternis zu vertreiben, die sich über sie alle gelegt hatte. «Bitte, setz dich doch.»
    «Möchtest du Tee?», fragte Ivy.
    «Ich bin nicht zum Kaffeeklatsch hier. Wo ist sie?», konterte Molly. «In der Schule hat man mir gesagt, dass sie krank ist, aber inzwischen sind Ewigkeiten vergangen.»
    «Molly …», begann Gabriel langsam. «Es ist kompliziert … Und schwer zu erklären.»
    «Ich möchte nur wissen, wo sie ist und was mit ihr passiert ist.» Mollys Stimme brach, was zeigte, mit welch starken Gefühlen sie zu kämpfen hatte. «Ich werde nicht gehen, bevor ich eine Antwort bekommen habe.»
    Ivy stand da wie erstarrt. Mit ihren langen schlanken Fingern fuhr sie das Muster der Tischdecke nach. «Bethany ist für eine Weile fortgefahren», sagte sie. Sie war auch nicht besser als ich, wenn es darum ging, die Wahrheit zu verdrehen, Ehrlichkeit war tief in ihr verwurzelt. Was sie sagte, klang auswendig gelernt, und auch ihr Gesicht verriet sie. «Sie hat das Angebot bekommen, im Ausland zu studieren, und hat angenommen.»
    «Ja, klar. Und ist gegangen, ohne ihren Freunden Bescheid zu sagen?»
    «Ja, es

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