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Hades

Hades

Titel: Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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schrie sie. «Du hast ihn auch gesehen. Das weiß ich genau!»
    «Ich habe keine Ahnung, wovon du redest», sagte Xavier glattweg.
    «Da hat ein Engel gestanden, genau da drüben!» Molly zeigte auf die Stelle, an der Michael gelandet war. «Ich habe ihn gesehen! Ich falle nicht auf dein Getue herein, ich bin nicht verrückt!»
    Xavier gab auf. Die ganze Zeit hatte er sie mit vor der Brust verschränkten Armen ungläubig angestarrt. Jetzt aber wirkte er plötzlich gereizt.
    «Gabriel», rief er. «Kannst du bitte mal kommen?»
    Eine Sekunde später stand mein Bruder in der Tür.
    «Molly, willkommen zurück. Wie geht es dir?»
    «Erzähl Gabriel, was du gesehen hast», unterbrach Xavier ihn.
    Für einen Moment schien Molly zu zweifeln. Es war ihr vermutlich egal, was Xavier von ihr dachte, aber Gabriels Meinung war ihr wichtig, und bestimmt wollte sie nicht riskieren, dass er sie für labil hielt. Aber ihre Zweifel waren nicht von Dauer und verschwanden so schnell, wie sie aufgetaucht waren.
    «Ich habe einen Engel gesehen», sagte sie überzeugt. «Ich weiß nicht, warum er hier war oder was er gesagt hat, aber er war da.»
    Gabriel schwieg einen Moment lang bedeutungsvoll. Er stritt ihre Geschichte weder ab, noch bestätigte er sie. Stattdessen betrachtete er Molly mit einem leichten Runzeln in der gemeißelten Augenbraue. Auch wenn man es ihm nicht am Gesicht ablesen konnte (dafür war er zu beherrscht), wusste ich, dass er überlegte, wie er den Schaden noch begrenzen konnte, denn Mollys Entdeckung stellte für meine Familie eine Katastrophe dar. Schon Xavier die Wahrheit zu erzählen, war eigentlich undenkbar gewesen und nur geschehen, weil ich sie vor vollendete Tatsachen gestellt und ihm mein wahres Ich ohne Erlaubnis offenbart hatte. Wenn in einer kleinen Stadt wie Venus Cove zwei Menschen die Wahrheit kannten, konnte das zu großen Problemen führen. Aber was sollten sie tun? Molly hatte Michael mit eigenen Augen gesehen.
    Gabriel war dem Königreich treu, niemals würde er seine Treuepflicht gegenüber den heiligen Sieben brechen, gegenüber seinem Rang als Erzengel. Aber er war auch nicht mehr derselbe wie zu der Zeit, als wir in Venus Cove angekommen waren. Damals war er ein Vertreter Gottes gewesen, der die Welt mit einem bedächtigen, abgeklärten Blick betrachtete. Inzwischen war er Zeuge für Xaviers Hingabe für mich geworden und wusste um die Tiefe unserer Gefühle. Er schien tatsächlich begreifen zu wollen, wie die Welt funktionierte. Wenn man unter den Menschen lebte, war es schwer, die göttliche Neutralität zu wahren.
    Gabriel begann auf und ab zu gehen, und bevor ich wusste, wie mir geschah, lief er schon direkt durch mich hindurch. Er stoppte abrupt, und der Blick in seinen Augen sagte mir, dass er in der Luft eine Schwingung gespürt hatte. Ich wünschte mir so sehr, dass er den anderen sagen würde, dass er meine Gegenwart spürte, aber ich kannte meinen Bruder und wusste, wie er dachte. Es machte keinen Sinn, Xavier und Molly zu sagen, dass ich hier war. Sie konnten mich weder berühren noch mit mir sprechen. Es würde für sie alles nur noch schwerer machen.
    Als Gabriel sich auf die Armlehne des Sofas setzte, auf dem Molly hockte, hatte er seine Ruhe wiedergefunden. Sie rutschte instinktiv näher an ihn heran, aber er machte keine Anstalten, sie zu berühren.
    «Bist du sicher, dass du mit der Wahrheit zurechtkommst?», fragte er. «Bitte bedenke, dass sie dein Leben verändern wird.»
    Molly nickte stumm und hielt seinem Blick stand.
    «Also gut. Was du gesehen hast, war tatsächlich ein Engel. Genau genommen war es der Erzengel Michael. Er kam, um uns zu helfen, du brauchst also keine Angst zu haben.»
    «Sie meinen, er war echt?», flüsterte sie. Die Vorstellung schien sie regelrecht zu hypnotisieren. «Engel gibt es wirklich?»
    «So wirklich wie dich.»
    Molly sah ihn fragend an. Diese verblüffende Neuigkeit musste sie erst einmal verarbeiten. «Warum bin ich die Einzige, die deswegen ausflippt?»
    Gabriel holte tief Luft. In seine Augen trat ein unsicherer Blick, aber er war bereits zu weit gegangen, er konnte nicht mehr zurück. «Michael ist mein Bruder», sagte er leise. «Wir sind gleich.»
    «Aber Sie …», begann Molly. «Sie sind doch kein … wie kann das sein? Ich verstehe nicht.» Sie wirkte völlig verwirrt.
    «Hör zu, Molly. Erinnerst du dich daran, dass deine Eltern dir die Weihnachtsgeschichte erzählt haben, als du klein warst?»
    «Ja, sicher», stotterte

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