Hades
Zeuge einer ernsthaften Meinungsverschiedenheit zwischen ihr und Gabriel. Irgendwo im Haus schlug eine Tür zu, und plötzlich stand sie im Zimmer und warf mit einem Gesichtsausdruck wie Gewitter die beiden Seesäcke zu Boden, die sie gepackt hatte. Ihre blauen Augen blitzten in Richtung Küche und schließlich zu Gabriel. Die angespannte Situation brachte eine ganz neue Seite an Ivy hervor. Meine sanfte, geduldige Schwester verblasste und machte Platz für eine Soldatin des Königreichs, einen kampfbereiten Seraph. Ich wusste, dass die Seraphim nur selten in Wut gerieten und dass es schwer war, ihren Zorn zu entfachen. Ivys Verhalten zeigte mir, dass meine Entführung wahrscheinlich mehr bedeutete, als mir klar war.
«Dies ist ein ernster Regelverstoß», sagte sie düster zu Gabriel. «Wir können uns nicht noch mehr Rückschläge erlauben.»
«Regelverstoß?», fragte Xavier. «Gibt es denn Regeln?»
«Die Dämonen haben uns noch nie ins Visier genommen», antwortete meine Schwester. «Wenn sie den Himmel treffen wollen, machen sie sich gewöhnlich an die Menschen heran. Dieses Mal aber haben sie bewusst einen von uns genommen und einkalkuliert, dass wir uns wehren. Wahrscheinlich ist es sogar genau das, was sie erhoffen … was einer Kriegserklärung gleichkäme.» Ihr Blick fiel auf Molly. «Für sie ist es nicht sicher.»
«Wie ich schon gesagt habe», antwortete Gabriel. «Ich glaube nicht, dass wir noch eine Wahl haben.»
«Nur weil Molly und Bethany Schulfreundinnen sind, heißt das noch lange nicht, dass wir machen können, was wir wollen.»
«In dieser Situation schon», fauchte Gabriel. «Ganz offensichtlich ist es dem Bund egal, wenn noch ein weiterer Mensch unsere Identität kennt. Sonst hätte Michael seine Ankunft besser getimt. Vermutlich hast du recht, und es geht hier um etwas viel Größeres.»
Ivy blieb skeptisch. «Wenn ich recht habe, dann überleg doch mal, was uns bevorsteht. Sie ist eine Belastung für uns!»
«Sie ist sehr hartnäckig. Ich komme nicht gegen sie an.»
«Sie ist ein Teenager, und du bist ein Erzengel», sagte Ivy bitter. «Du bist sicher schon mit ganz anderen Dingen fertig geworden.»
Mein Bruder zuckte nur die Achseln. «Wir können jeden Verbündeten gebrauchen.»
Ivy richtete mit düsterem Blick den Finger auf ihn. «Gut, aber ich übernehme keine Verantwortung für sie. Sie ist allein deine Angelegenheit.»
«Warum verschwendet ihr eure Zeit damit, über Molly zu streiten?», brach es aus Xavier hervor. «Haben wir nichts anderes zu tun? Zum Beispiel ins Auto zu steigen und diese Nonne zu suchen?»
«Xavier hat recht», sagte Gabriel. «Wir müssen unsere Differenzen beiseitelegen und uns den Tatsachen stellen. Ich hoffe nur, dass wir dort ankommen, bevor es zu spät ist.»
Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, als er sie schon zu bereuen schien. Sein Gesicht nahm einen schmerzhaften Ausdruck an, während Xavier vor Wut rot wurde.
«Du hörst dich an, als hättest du bereits aufgegeben.»
«Das habe ich nicht gesagt», antwortete Gabriel. «Diese Situation ist einzigartig. Wir haben keine Ahnung, was uns erwartet. Die einzigen Engel, die je die Hölle von innen gesehen haben, sind aus freiem Willen dorthin gegangen, geblendet von Stolz. Sie haben sich gegen unseren Vater gewandt und sich entschieden, Luzifer zu folgen.»
«Was soll das heißen?», fragte Xavier entrüstet. «Glaubst du, Beth hat das absichtlich gemacht? Es war nicht ihr freier Wille, Gabriel! Ich war dabei, hast du das vergessen?»
In diesem Moment hätte ich meinem Bruder am liebsten einen Tritt verpasst. Glaubte er wirklich, dass ich den Pfad des Bösen eingeschlagen hatte?
Ivy war mit einem Satz auf der anderen Seite des Zimmers und legte Gabriel die Hand auf den Rücken. «Was wir sagen wollen, ist, dass man einen Engel nicht in die Hölle verschleppen kann. Entweder Bethany ist freiwillig gegangen, oder Armageddon steht kurz bevor.»
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16
Ein Herz und eine Seele
Langsam konnte ich nicht mehr. Meine geistige Form schien an den Enden zu verwischen, als könne sie es nicht erwarten, zu meinem Körper zurückzukehren. Aber Ivys Worte hatten mich tief erschüttert. War meine Entführung wirklich ein Zeichen dafür, dass sich etwas Furchtbares zusammenbraute?
Im Gegensatz zu Xavier nahm ich Gabriel seine Worte nicht übel. Er sprach lediglich das Offensichtliche aus. Und es stimmte, ich hatte Jakes Angebot angenommen, wenn auch nicht bewusst, aber das
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