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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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würzigste Grün hacken. Wenn man in Betracht zieht, welcher Art und Gattung diese Halme sind, sich zudem ihre Länge, Breite und Schwere vergegenwärtigt, an die Wetterverhältnisse denkt und berücksichtigt, wie stark etwa der Tau auf sie eingewirkt hat, wie groß und schwer wohl die Pferde waren, die hier des Nachts angepflockt waren, und wenn man zudem überlegt, daß – – – «
    »Ja, bin i a Bayer, oder bin i a Preiß! Master, das ist ja ein ganzes Privatissimum, das Ihr mir da haltet! Mit derart vielen Faktoren
macht Ihr Eure Rechnung auf? Gräserarten, Krafteinwirkung, Wetter, Zeit, Pferde bei Tag und bei Nacht – daraus kann niemand schlau werden!«
    »Oh, man kann es nicht nur, man muß es sogar. Mit allen diesen und sogar mit noch viel mehr Einflüssen muß ein Westmann kalkulieren, und doch handelt es sich bei den bisher aufgezählten Punkten nur um die augenfälligsten. Aber ich will Sie nicht länger auf die Folter spannen. Winnetou hat seine Beobachtungen abgeschlossen. Er wird uns sagen, was er über die Vorgänge an diesem Ort denkt.«
    Und Winnetou, der uns zugehört hatte, stellte fest:
    »Uff, diese beiden wurden jeweils von Sorgen geplagt!«
    Damit war es um Hirtreiters Verständnis endgültig geschehen. An mich gewandt, flüsterte er:
    »Nein, so etwas! Sogar auf das Gemüt dieser Leute versteht Winnetou zu schließen? Das ist Zauberei!«
    »Sie übertreiben. Es ist vielmehr alles sehr menschlich, fast möchte ich sagen: allzu menschlich. Rekapitulieren wir: Zunächst saßen unsere beiden Unbekannten am Feuer, obwohl sie keine Beute auszunehmen hatten, weder gebraten noch gekocht wurde – oder sehen Sie eine einzige Feder, einen Knochen, wenigstens ein Stück Sehne? Derart gründlich, daß sich nicht das geringste mehr findet, vermag kaum ein Indianer ein Tier zu zerteilen, wie erst ein Weißer. Wenn also dieses Feuer nicht zum Zwecke der Speisenzubereitung entfacht wurde, wozu dann, etwa zum Wärmen? Dafür brannte es zu niedrig und auch nicht lange genug, sonst müßte sich bedeutend mehr Asche finden. Und hierin liegt der Schlüssel zu Winnetous Folgerung: Ein unnützes Feuer mitten in der Wildnis, so etwas macht kein Westmann.«
    »Und deshalb denkt Ihr, ein jeder Nichtwestmann müsse von schwerer Sorge geplagt sein?«
    Ich antwortete Hirtreiter:
    »Ihre Prämisse stimmt zwar nicht, aber der Schluß trifft zu. Nochmals: Hier wurde ein Feuer abgebrannt. Dies geschah aber
lediglich, um in die Flammen zu blicken. Ein jeder der beiden Anwesenden war also mit eigenen Gedanken oder Sorgen beschäftigt – haben Sie nicht unlängst selbst bemerkt, wie leicht man sich beim Blick in das Gezüngel verlieren kann, am Abend unseres Zusammentreffens? Weiter! Mal ist hier der eine aufgestanden, um längere Zeit, womöglich für Stunden, im Kreise zu gehen – sehen Sie, dort drüben. Dann wieder hat der oder die andere das getan; achten Sie auf die unterschiedlichen Fußspuren, sie weisen auf völlig verschiedene Absätze hin, welche sich auch unterschiedlich tief in den Boden eingeprägt haben und somit Schlüsse auf ein ungleich geringeres Körpergewicht zulassen, einmal Stiefel, einmal Sandalen. Gegen Morgen wurde dann der eine wie der andere vom Schlafe übermannt, auch dafür gibt es Beweise. Anstatt nämlich sich an das wenig wärmende Feuer zu legen und dort weitere Spuren zu hinterlassen, hat wenigstens der eine sich nahe den Pferden gebettet; das war der Erfahrenere. Warum? Nun, weil die Tiere sich bei der kleinsten Gefahr bemerkbar machen und so den Schläfer wecken. Ein Mensch, der öfter einmal im Freien übernachtet, weiß das.«
    »Aber ein Westmann, Master, würde ganz anders handeln?«
    »Allerdings. Er würde sich nicht der Gefahr aussetzen, im Schlafe etwa von den Hufen eines ausschlagenden Pferdes verletzt oder getötet zu werden. Es gibt Wandervölker, die ihre Tiere entsprechend abrichten, doch das sind Menschen eines anderen Kontinents.«
    »Und dieser eine Mensch, glaubt Ihr, stammt von dort?«
    Ich ließ diese Frage Hirtreiters offen, sagte aber:
    »Die andere Person jedenfalls ist wenigstens einmal in die Prärie hinausgegangen, das zeigt uns dieser kaum mehr sichtbare dunkle Streifen – das Gras entlang dem Pfad hat sich fast vollständig wieder erhoben.«
    »Aber Master, ich bitte Euch! Wer macht denn so etwas, in tiefster Nacht in die Prärie hinauszulaufen!«
    »Wohl jemand, dessen Kopf und Herz schwer von Sorgen sind«, sagte ich mit meinem schönsten

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