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Hämatom

Hämatom

Titel: Hämatom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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wurde, krabbelte ein winziger
Schauer meinen Rücken hinauf. Sekundenlang betrachtete ich den im Halbdunkel
glänzenden Fußboden und lauschte in die Stille. Ich vergewisserte mich, dass
niemand hinter mir stand. Kaum hatte ich mich umgedreht, glaubte ich wieder
jemanden in meinem Rücken zu spüren, und drehte mich erneut. Und noch ein
drittes Mal. Wie in einem Stummfilm, in dem Dick und Doof Käfer jagten, die sie
sich gegenseitig in die Unterhosen gesteckt hatten.
    Schluss damit!
    Mein Beobachter musste mich ja für gestört halten.
    Hah! Ich war gestört – es gab keinen Beobachter, verdammt!
    Trotzdem sah ich mich noch einmal hastig um, bevor ich
zur Stempeluhr hinüberhuschte.
    Ich schob die Karte seitlich in den Plastikkasten,
drückte die C-Taste und das Gerät piepte artig. Ich zog die Karte wieder heraus
und betrachtete sie. Da sie sich natürlich nicht sichtbar verändert hatte, lief
ich zum Fahrstuhl und stand gleich darauf im Keller. Auch hier wurde der lange
Flur nur durch die Hinweise auf die Fluchtwege erhellt. Irgendwo in den Tiefen
des Hauses rumpelte ein Motor. Hier unten musste das Abteilungsleiterbüro der
Reinigung sein. Allerdings war ich heute Morgen mit Svetlana aus einer anderen
Richtung gekommen, denn an die Beschriftung der Stahltür, die ich jetzt las,
konnte ich mich nicht erinnern: Pathologie.

    Unwillkürlich lief ich schneller. Archiv, las ich an der nächsten Tür, dann Personalumkleide Herren und Personalumkleide
Damen, Sozialraum Reinigung, bis
ich endlich vor der Tür der Abteilungsleitung
Reinigung stand.
    Ich zog die Karte durch das elektronische Schloss. Mit
einem Klicken entriegelte es. Ich drückte die Klinke und die schwere Stahltür
ließ sich tatsächlich öffnen.
    Na also.
    Ich schlüpfte in das Büro. Es war stockfinster, kalt und
roch noch immer muffig. Neben der Tür tastete ich nach dem Lichtschalter.
Gleich darauf begannen die Neonröhren an der Decke zu flackern.
    Leise ließ ich die Tür hinter mir zufallen. Ich wusste, wonach
ich suchte. Ich trat an die Regale voller Akten und las die akkuraten
Beschriftungen. Schnell entdeckte ich, was mich interessierte. Ich zog einen
schweren Ordner mit der Aufschrift Bewerbungen aus der Reihe.
    Damit setzte ich mich in den Bürostuhl und legte die Füße
auf den Schreibtisch. Wie ich erwartet hatte, fand ich vollständige Kopien
aller Bewerbungen, die in den letzten Jahren eingegangen waren. Wer auch immer
all diese Akten angelegt hatte, besaß eine Sammelleidenschaft, die zu Hause
wohl ganze Schränke mit Ü-Ei-Figuren füllte.
    Am meisten interessierte mich die Bewerbung von Janna,
und als ich den Ordner aufklappte, war sie als Erste ganz oben abgeheftet.
    Ich überflog das kurze Anschreiben. Mir fiel das Datum
auf: 12.03. Janna hatte noch nicht mal ein Jahr hier gearbeitet! Es folgte ein
handschriftlicher Lebenslauf, an dem mit einer Büroklammer ein Passfoto von
Janna befestigt war. Sie lächelte überschminkt.
    Sofort erkannte ich die etwas ungeübte Mädchenschrift mit
den runden Buchstaben, mit der die Musterrechnung angelegt worden war. Janna
war also nicht für dieses perfekt sortierte Ordnersystem verantwortlich, in dem
wohl auch der Klorollenverbrauch auf der Personaltoilette zu finden war, wenn
man nur lange genug suchte.
    Ich überflog den Lebenslauf:

    Â 
Name: Johanna Degenhardt (geb. Stapperfend)
    Familienstand: verheiratet, 1 Tochter

    Â 

Hm. Als verheiratete Frau Anfang dreißig und Mutter
einer Tochter hätte sie doch allmählich aus der Phase raus sein sollen, in der
das Make-up dicker aufgetragen wurde als die Gurkenmaske.
    Â 
Schulabschluss: Abschluss der Humboldt-Realschule Bochum mit mittlerer
Reife
    Ausbildung zu Friseurin: vorzeitig abgebrochen
    Seitdem verschiedene, kurzzeitige Anstellungen, u. a. als
Servicekraft – also Kellnerin –, Callcenteragentin,
Kraftfahrerin für ein Dentallabor, UPS und die Blaue Apotheke, Verkäuferin im
Einzelhandel, Lageristin auf einem Schrottplatz, Arbeiterin in einer
Fischfabrik, Besteckeinwicklerin – was auch
immer das war – und als Aushilfe bei McDonald’s.

    Â 
Offensichtlich hatte Janna bereits in so ziemlich
jedem Beruf gearbeitet, bevor sie sich im Krankenhaus als Putzfrau beworben
hatte. Nur im Bereich der Reinigung hatte sie keine Referenzen vorweisen
können.
    Wie zum Teufel war sie mit diesem Lebenslauf

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