Hämatom
übrig, als mir die nötigen
Arbeitszeugnisse selbst auszustellen. Ich nahm meine FüÃe vom Schreibtisch und
schaltete den PC an. Während sich der Computer mit einem leisen Surren in Gang
setzte, kramte ich aus der obersten Schreibtischschublade dieses kleine Gerät,
mit dem man Schreibfehler unter einem weiÃen Streifen verschwinden lassen
konnte. Ich löschte Viktorias Namen, Adresse und Geburtsdatum sowie einige der
schlechteren Zensuren auf der Kopie ihres Ausbildungsnachweises und setzte mit
einem Kugelschreiber meinen eigenen Namen und eine schnell erfundene Anschrift ein.
Natürlich machte ich mich so alt wie möglich, achtundzwanzig hielt ich für
gerade noch glaubwürdig. Wenn ich meine nicht existente Hauswirtschafterinnenausbildung
nach dem Abitur mit zweiundzwanzig beendet hätte, blieben mir so immerhin noch
sechs Berufsjahre.
Der PC war inzwischen betriebsbereit und fragte nach dem
Kennwort von Frau Degenhardt.
Mist! Ich brauchte den Computer, ich konnte mir mein
Arbeitszeugnis ja schlecht handschriftlich ausstellen.
Ob Svetlana das Passwort kannte? Sie war die Stellvertreterin,
sie musste den PC eigentlich bedienen können, wenn Janna nicht da war. Ich
überlegte, wie ich die Russin dazu bringen konnte, mir das Passwort zu
verraten.
Dann erst erinnerte ich mich, dass Svetlana ja nicht
lesen und schreiben konnte. Wie sollte sie da ein Passwort eingeben?
Mein Blick fiel auf einen selbstklebenden Zettel, der am
unteren Rand des Monitors befestigt war. start hatte Janna daraufgeschrieben. Daneben startstart und darunter etwas einfallsreicher losgehts.
Ich versuchte es mit losgehts, weil es wahrscheinlich zuletzt hinzugefügt worden war. Und tatsächlich â
der Computer öffnete die Programme. Danke für die Hilfe, Janna.
Das Schreibprogramm fand ich sofort und so hatte ich mir
eine halbe Stunde später zwei selbstverständlich lobende Zeugnisse von Hotels
ausgestellt. Das letztere belegte groÃspurig eine angeblich dreijährige
Tätigkeit als stellvertretende Hauswirtschaftsleiterin im Steigenberger
Hamburg. Zusammen mit einem fehlerfreien Anschreiben sollte das als
Qualifikation ausreichen.
Ich druckte die Unterlagen aus, scannte Viktoria Lebrechts
veränderte Ausbildungskopie ein und senkte die Druckqualität, sodass die
Schrift blass und meine Fälschung nicht auf den ersten Blick erkennbar war.
Kritisch betrachtete ich das Ergebnis.
Noch nicht überzeugend.
Aber ich hatte ja bis zu meiner Entlassung noch zwei
Nächte Zeit, um meine Bewerbungsmappe perfekt zu machen. Ich nahm einen leeren
Schnellhefter aus Pappe aus der dritten Schreibtischschublade und steckte die
Zettel hinein.
Â
10.
Montagmorgen duschte ich, kämmte mir mit Oma Buschs Bürste die
Haare und schlüpfte in meine alte Jeans und den knielangen, lila Wollrolli.
Gegen halb neun baute sich die Visite der Rangordnung
nach vor meinem Bett auf. Der Pfleger stellte den Aktenwagen ab, Gundel nahm
meine Akte heraus und reichte sie an Stationsärztin Avilova weiter.
Ich betrachtete das goldene, auf ihrem Kittel hin- und
herpendelnde Stethoskop. Die Aufschrift Gold war in verschnörkelten,
kleinen Buchstaben in den Aufsatz zum Abhören eingraviert. Anscheinend ein
Markenname.
»Ah. Frau â¦Â«, begrüÃte mich die Russin gewohnt unvollendet.
»Ziegler«, half ich ihr weiter, um die Suche nach meinem
Namen abzukürzen.
»Ah, Ziegler, ja. Ihre Zustand stabil, Sie gehen können«,
radebrechte die Ãrztin, ohne von den Papieren aufzusehen. »Machen Sie keine
Unsinn nicht noch mal.«
Hatte ich nicht vor. Wenn das allerdings die normale Therapie
von Drogenmissbrauch und Alkoholvergiftungen war, wunderte mich eine hohe
Rückfallquote nicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass wegen Avilovas
schwer verständlichem Ratschlag, sich nicht zuzudröhnen, ein Schwerstpubertierender
das Komasaufen bleiben lieÃ.
Als die Visite im Gleichschritt hinausmarschiert war, zog
ich mir meine Cordjacke über, nahm meine Bewerbungsunterlagen aus der Schublade
des Tischchens neben dem Bett und ging.
Mit der U-Bahn fuhr ich in die Innenstadt und probierte
bei C&A Kostüme an. Allerdings konnte ich mich selbst zu diesem Anlass
nicht mit Blazer und Rock anfreunden und entschied mich für eine blasslila
Bluse zu einer dunkelgrauen Nadelstreifenhose und Pumps. Dazu Büromiezenunterwäsche:
ein Push-up mit Spitze, der sich auch im
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