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Hämatom

Hämatom

Titel: Hämatom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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Möllering war so
sympathisch wie ein Hochleistungsschrubber der Firma Feudel: humorlos, übereifrig und pingelig – eine echte
Gartenzwergsammlerin eben.
    Â»Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Kindchen: Suchen
Sie sich einen anderen Job.«
    Dankbar für eine gute Zusammenarbeit war sie ihrem
ehemaligen Arbeitgeber definitiv nicht.
    Â»Ich arbeite noch nicht lange dort, aber um ehrlich zu
sein, fühle ich mich nicht wohl«, tastete ich mich vorsichtig an sie heran. »Das
Betriebsklima kommt mir – na ja – angespannt vor.«
    Edith, die Gartenzwergfreundin, verzog spöttisch den
Mund.
    Â»Sie haben sich beruflich verändert«, wählte ich Herolds
Worte, da ich Danners Info, dass ihr gekündigt wurde, als Mitarbeiterin nicht
wissen konnte. »War das Betriebsklima der Grund?«
    Einen Augenblick lang schob die Frau ihr loses Gebiss mit
mahlenden Kieferbewegungen hin und her.
    Â»Ach, was soll’s«, murrte sie schließlich. »Kommen Sie
rein.«
    Sie öffnete die Tür ganz und trat beiseite. Wir standen
in einem kleinen Wohnzimmer. Das Innere des Hauses beunruhigte mich genauso wie
die Gartenzwergarmee im Vorgarten. Es wirkte unbewohnt wie ein Museum. Ein Museum,
das an die sehr einsame und sehr gestörte Putzfrau erinnern sollte, die es
sauber hielt.
    Der braune Teppich war sicher schon ein paar Jahrzehnte alt.
Doch Abnutzung ließ sich nicht erkennen. Ich warf einen kurzen Blick auf Ediths
Füße: Sie trug Hüttenpuschen.

    Das blumig gemusterte Sofa, der blank polierte Couchtisch,
die Rüschendecke auf dem Esstisch am Fenster: alles blitzsauber. Es gab keine
herumliegenden Zeitungen, kein benutztes Geschirr, sogar die Bücher im Regal
waren schnurgerade aufgereiht, als hätte noch nie jemand eines herausgezogen
und wirklich gelesen.
    Ich setzte mich auf einen der beiden Stühle an den Tisch
und bemerkte, dass ich durch die durchsichtigen Gardinen und die Gitter vor dem
Fenster freien Blick auf die Zwerge im Vorgarten hatte.
    Edith setzte sich mir gegenüber und begann erneut, den Mund
zu verziehen und mit ihren falschen Zähnen zu klappern.
    Ich überlegte, ob sie diese Grimassen unter Kontrolle hatte.

    Â»Sie haben sich also beruflich verändert?«, versuchte
ich, das Gespräch endlich in Gang zu bringen.
    Â»Pffft«, machte sie verächtlich. »Wer sagt das?«
    Â»Herr Herold.«
    Â»So kann man es auch ausdrücken. Die wollten mich loswerden,
und das haben sie geschafft.«
    Â»Loswerden?«
    Wieder musterte sie mich spöttisch über ihre schlaffen
Tränensäcke hinweg. »Mobbing nennt man das, Kindchen.«
    Hm. Möglicherweise bezeichnete die eine oder andere der
ehemaligen Mitarbeiterinnen das, was Edith getan hatte, genauso.
    Â»Wer hat Sie gemobbt?«, hakte ich nach.
    Â»Herold. Hat mich mies beurteilt. Ich schaffte angeblich
die von mir verlangte Arbeitsleistung nicht, also konnten sie mich
rausschmeißen. So einfach ist das heutzutage. Und in meinem Alter findet man
keinen neuen Job. Ich muss sehen, wie ich die Zeit bis zur Rente rumkriege. So
läuft das, Kindchen. Das wirst du auch noch merken, sobald du nicht mehr dreißig
bist.«
    Möglich, dass Herold lieber eine knackige Stripperin
statt eines mürrischen Besens um sich hatte. Aber nur, weil man was fürs Auge
wollte, mobbte man doch niemanden raus. Oder?
    Â»Was hatte Herold gegen Sie?«
    Â»Ach, Herold ist doch nur ein kleines Licht, Kindchen«,
flüsterte sie und sah sich um, als fürchtete sie, irgendjemand könnte eine
Wanze in den Plastikblumen auf der Fensterbank versteckt haben. »Herold kriegt
seine Befehle von oben. Von ganz oben, das kannst du mir glauben.«
    Ihr Mund zog ein paar hektische Grimassen.
    Oje. Eine Verschwörungstheorie.
    Â»Die waren sich einig, die wollten mich loswerden. Alle.
Das kam von ganz oben.«
    Â»Und warum wollte man Sie loswerden?«
    Sie bewegte ihren Mund weiter. »Ich wusste zu viel.«
    Ich merkte genau, wie ich allmählich die Geduld verlor: »Und was wussten Sie?«, fragte ich.
    Edith Möllering schob ihr Gebiss nach vorn und machte
saugende Geräusche.
    Â»Was wussten Sie?«, wiederholte ich hartnäckig. »Was war
so schlimm, dass man Sie deswegen hätte rausschmeißen wollen?«
    Â»Darüber habe ich noch nie gesprochen …«
    Â»Dann wird’s langsam mal Zeit!«, blaffte ich.
    Wieder sah sie sich nervös

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