Hämatom
um: »Ich hoffe, es demnächst
beweisen zu können â¦Â«
»Was soll Ihnen denn noch passieren, wenn Sie es mir sagen?
Ihren Job haben Sie doch schon verloren!«
Darüber dachte Edith einen Augenblick lang nach.
»Ich habe den Ordner gesehen. Die Schrage, die leitende
Managerin, hat ihn im Büro.« Edith hatte die Stimme gesenkt, als würde sie mir
gerade das geheime Versteck eines Piratenschatzes verraten.
»Den Ordner?« Ich ging davon aus, dass auch Adolf mehr
als eine Akte in ihrem Büro aufbewahrte.
»Ja, den Ordner. Den geheimen«, flüsterte Edith zähneklappernd.
Klarer Fall für die Klapse.
»Und was ist so geheim an diesem Ordner?«, erkundigte ich
mich, mit dem Gefühl, die Pointe der Botschaft verpasst zu haben.
Edith schob missmutig ihren Unterkiefer hin und her. »Das
weià ich nicht.«
»Wie bitte? Sie wissen es nicht? Dann gab es doch auch keinen
Grund, Ihnen zu kündigen .«
Edith zog die Schultern unter die Ohren. »Es lagen ja öfter
Ordner auf ihrem Schreibtisch, und da habe ich beim Drumherumwischen schon mal
einen Blick drauf geworfen.«
Edith hatte in Adolfs Unterlagen geschnüffelt?
»Und einmal kam sie rein, als ich gerade ein bisschen geblättert
habe.«
Geblättert!
»Nichts Besonderes, es ging um die Bestellung des Essens.
Sie haben sicher schon gehört, dass die Klinik keine eigene Küche mehr hat. Das
fertige Essen wird angeliefert und im Haus nur aufgewärmt. Natürlich ist die
Qualität nicht besonders, aber es geht ja auch nicht um Geschmack, sondern um
Kostenoptimierung.«
Ja, hatte ich schon gehört. »Und?«
»Sie hat mich aus dem Büro geworfen und mir verboten,
während ihrer Dienstzeit zu putzen. Danach hat Herold mir zwei schlechte
Beurteilungen geschrieben und mir wurde gekündigt.«
Tja, wenn sich ausgerechnet Adolf von Edith bespitzelt
gefühlt hatte, war meine Vorvorgängerin wohl etwas übers Ziel hinausgeschossen.
»Ich habe gehört, Herold hätte ein Verhältnis mit Ihrer
Nachfolgerin Janna Degenhardt gehabt. Kann es nicht sein, dass man Ihnen
gekündigt hat, um Frau Degenhardt befördern zu können?«
»Nein, nein! Sie haben mir nicht zugehört«, schimpfte
Edith. »Herold ist nur ein kleines Licht.«
⦠in ihrer groÃen Verschwörungstheorie, ja ja.
»Janna Degenhardt ist tot, wussten Sie das?«
Edith zuckte zusammen.
»Tot?«
Ich nickte: »Herzversagen.«
»Tot«, murmelte Edith und begann, so hysterisch ihr Gebiss
im Mund herumzuschieben, dass ich befürchtete, es könnte herausfallen und vor
mir auf dem Tisch landen. »Tot, tot. Sie muss auch etwas gesehen haben, ja, so
muss es sein.«
Ein Schauer lief mir über den Rücken. Ich bewegte die
Schultern, um ihn abzuschütteln. Edith Möllering war eindeutig verrückt.
Plötzlich lieÃen mich die zwanghafte Ordnung, die vergitterten
Fenster und die Gartenzwerge frösteln.
»Janna Degenhardt hatte einen groÃen Bluterguss am
Handgelenk. Können Sie sich vorstellen, wie der entstanden sein könnte?«,
stellte ich trotzdem noch meine letzte Frage.
Edith Möllering klapperte mit den Zähnen.
Okay, hier kam ich nicht weiter.
Hastig verabschiedete ich mich und war erleichtert, als
ich das Gartentor zuschlagen und das Kampfkommando von Zwergen hinter mir
lassen konnte.
Â
30 .
Weil mich die gesamte Nacht lang eine Horde schaufel-und-harkeschwingender
Zwerge durch meine Träume verfolgte, flüchtete ich am Morgen so früh wie
möglich aus meinem Keller und begann meinen Dienst überpünktlich um halb sechs.
Ich spielte mit dem Gedanken, gleich als Erstes den Müllbeutel
im Büro der Hauswirtschaftsleitung auszutauschen, nur um zu sehen, ob Danner
schon da war.
Um mich davon abzuhalten, beschloss ich, erst mal Kaffee
zu kochen. Die Kaffeemaschine im Sozialraum der Putzfrauen war nicht mehr neu
und pausierte gern, wenn man sie bei der Arbeit nicht beaufsichtigte. Ein
Wunder, dass noch niemand darauf gekommen war, ihren fehlenden Arbeitseifer zu
beobachten und zu dokumentieren.
Ich griff nach der Kanne, um sie auszuspülen, und
stutzte.
Sie war voll.
Erstaunt drehte ich den Deckel auf und roch an dem
dampfend heiÃen Inhalt. Ganz frisch.
Wer â?
Ich sah mich um, doch der Sozialraum war leer, alle Spinde
geschlossen, alle Stühle an den Tisch geschoben.
Einen
Weitere Kostenlose Bücher