Hämatom
dem
Rasieren nicht so genau genommen. Und einen Kamm hatte der strubbelige,
schulterlange Haarkranz, der rund um seine Glatze herabhing, heute auch noch
nicht gesehen.
Danner hob die Deckel der Töpfe auf dem Tisch und warf
einen Blick hinein.
»Hi.« Ich winkte Molle zu, ohne mich zu bewegen. Ich
hatte mich nicht mal von dem Dicken verabschiedet, als ich abgehauen war.
Molle verpasste Danner eine Kopfnuss: »Du bringst jemanden
zum Essen mit, ja? Kannst du das nicht gleich sagen, du Arsch?«
Er wischte die Hände an seiner Schürze ab, kam auf mich
zu und umarmte mich so kräftig, dass ich eine Sekunde lang befürchtete, in dem
nach frittiertem Fett riechenden Stoff zu ersticken.
Dann schob er mich ein Stück weg und betrachtete mich
über den Rand seiner halbmondförmigen Weihnachtsmannbrille, die der von Gott
ähnelte.
»Kein Wunder, dass Ben plötzlich nüchtern ist. Setz dich
hin und iss. Du siehst ja völlig verhungert aus.«
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Lennart Staschek war Mitte vierzig, groÃ, schlank
bis schlaksig, mit gewelltem, kastanienfarbenem Haar und braunen Augen im
schmalen Gesicht. In seinem dunklen Mantel war er das Ideal eines
Kriminalkommissars, genau das, was sich Tausende träumender Hausfrauen Sonntagabend
beim Tatort zu sehen erhofften.
Seine Tochter Lena war knapp dreiÃig Jahre jünger und
ihre kastanienfarbene Mähne um einiges länger, ansonsten glichen sich die
beiden verblüffend, als sie nebeneinander in der Kneipentür stehen blieben und
nach Luft schnappten.
»Was ist? Habt ihr ein Gespenst gesehen und seid gestorben
vor Schreck?« Karo drängelte sich zwischen Staschek und Lena hindurch. Den
winterlichen Temperaturen zum Trotz steckte ihr Superbody in einem pinkfarbenen
Minirock und einem gleichfarbigen, tarnfleckigen Oberteil. Mit dem passenden
Lippenstift und ihrem wasserstoffblonden Pferdeschwanz sah sie aus wie eine
angriffslustige Barbie.
»Ey, das ist Lila und sie lebt noch.« Karo umarmte mich
von ihren Neunzentimeterplateausohlen herab. »Ich dachte schon, Lenas Vater
will uns verarschen.«
Franzi quetschte ihre Hüftpfunde ebenfalls zwischen den
beiden in der Tür stehenden Stascheks hindurch. Ihre Kringellöckchen hüpften um
ihr rundes Gesicht herum, als sie auf mich zusprang.
Ich befürchtete, die gesamte Kneipe könnte aus ihrem
Fundament brechen und sich schaukelnd auf eine rosarote Wolke erheben, so
unecht kam mir alles vor.
Danner drückte Staschek ein Bier in die Hand und erlöste
ihn damit aus seiner Erstarrung.
»Merk dir eines fürs nächste Mal«, sagte Lena, so streng das
jemand mit riesigen Bambiaugen rüberbringen konnte. »Frauen rennen bei Stress
mit ihrem Kerl immer zu ihren Freundinnen. Kapiert?«
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36.
So gut gelaunt wie am Montagmorgen hatte ich meinen Dienst im
Otto-Ruer-Klinikum noch nie angetreten.
»Was ist passiert?«, fragte mich Svetlana, als wir unsere
Wagen nach der Frühbesprechung nebeneinander in Richtung Fahrstuhl schoben. »Du
strahlst, als hättest du mal richtig gut geschlafen.« Sie klopfte vielsagend
mit der flachen, rechten Hand auf die geschlossene linke Faust.
Ich grinste.
»Schön, dass du hast noch Leben auÃer Arbeit«, grinste
Svetlana zurück. »Wenn irgendwer mal würde die Adolf nageln, hätten wir alle
leichtere Leben.«
Svetlana stieg im fünften Stockwerk aus dem Aufzug, ich
schob meinen Wagen, fröhlich summend, oben in den Verwaltungsflur.
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Für zehn Uhr hatte Ramona die Bewerberinnen für
die Stelle im Reinigungsdienst eingeladen. Ich sollte die Gespräche führen.
Interessante Aufgabe für jemanden, der sich noch nie selbst beworben hatte.
Ich hatte mir einige Fragen aufgeschrieben. So was wie: Wie sind Sie darauf gekommen, sich
ausgerechnet in unserer Klinik zu bewerben?, oder: Sie haben mal Raumausstatterin gelernt, warum arbeiten Sie nicht in
diesem Beruf?, oder: Sie haben einen
Deutschkurs besucht, hatâs was gebracht?
Allerdings waren pro Vorstellung sowieso nur zehn Minuten
Zeit eingeplant, sodass mehr als ein Händeschütteln kaum drin war.
Die Bewerbungsgespräche fanden im Konferenzraum in der Verwaltungsetage
statt. Die Atmosphäre erinnerte allerdings eher an einen Gerichtstermin, bei
der die Kandidatinnen zur Zwangsarbeit verdonnert werden sollten. Hinter einem
langen Tisch saÃen fünf Personen: ich als Abteilungsleiterin
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