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Hämatom

Hämatom

Titel: Hämatom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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der
Gebäudereinigung, Danner alias Martens als Hauswirtschaftsleiter, Miriam
Süldermann von der Personalabteilung, Osleitschak als Betriebsratsvertreter und
Adolf, um zu überwachen, was passierte.

    Die erste Bewerberin, die vor dieses Tribunal trat, war
eine schüchterne Vietnamesin mit erwartungsgemäß geringen Deutschkenntnissen,
die in den zehn Minuten kein einziges Wort sagte.
    Ihr folgte eine Hausfrau mit praktischer Kurzhaarfrisur,
die ihr T-Shirt in die bis unter den Busen gezogene Jeans gestopft hatte. Nach
sechzehn Jahren Babypause fand sie überraschenderweise keine Anstellung mehr in
ihrem eigentlichen Beruf als Raumausstatterin, in dem sie nach Lehre und
Hochzeit nie gearbeitet hatte.
    Dann kam eine Kaugummi kauende Friseurin mit pinkfarbenen
Strähnchen, Unterlippen- und Bauchnabelpiercing, die als Grund für ihre
Bewerbung angab, dass sie mit Putzen mehr Geld verdienen würde als in ihrem
erlernten Beruf.
    Die vierte Bewerberin war Emines Nichte. Die junge Türkin
trug im Gegensatz zu ihrer Tante weder Kopftuch noch fünf bis zehn Wollröcke
übereinander. Sie war geschminkt, konnte einen passablen Realschulabschluss
vorweisen und hatte ihr dreiwöchiges Praktikum in der neunten Klasse in einem
Hotel absolviert.
    Sie gefiel mir ganz gut.
    Die letzte Kandidatin war die Feudeline, die Adolf von
der Zusammenarbeit mit unserem Putzmittellieferanten kannte und die praktisch
schon eingestellt war, bevor sie das erste Wort gesagt hatte.
    Die Frau war Anfang fünfzig, groß, mager, mit einem faltig-grauen
Gesicht, das einen komischen Kontrast zu den raspelkurzen, blauschwarz gefärbten
Haaren bildete. Ich beobachtete interessiert ihre Mundwinkel, die nicht ein
einziges Mal nach oben zeigten, während sie ihre Qualifikationen aufzählte.
    Ich konnte mir lebhaft vorstellen, dass die Zusammenarbeit
mit ihr ähnlich erfreulich sein würde wie mit Edith, dem Besen.
    Ihre Mappe ließ Adolf aufgeklappt vor sich auf dem Tisch
liegen, als Feudeline den Raum wieder verließ.
    Ich sah genau, dass Adolf etwas sagen wollte, bevor jemand
anders sich äußern konnte, und war schneller.
    Â»Mir gefiel Frau Sürüncü sehr gut«, teilte ich mit, ohne
mich darum zu kümmern, dass die Klinikmanagerin es nicht hören wollte. »Sie
scheint motiviert, kann sich ausdrücken und hat bereits im Praktikum in einen
ähnlichen Bereich hineingeschnuppert. Sie würde gut in die Abteilung passen.«
    Adolf musterte mich kühl. »Frau Sievermann von der Firma Feudel ist eindeutig am besten
qualifiziert. Sie hat im Putzmittelvertrieb gearbeitet und kennt sich deshalb
mit Reinigungsprodukten aller Art bestens aus.«
    Â»Was noch lange nicht bedeutet, dass sie sie auch bedienen
kann«, wandte Osleitschak ein.
    Â»Wohl besser als eine Friseuse oder eine Schülerin.«
Adolf klemmte den Stapel Bewerbungsmappen unter ihren Arm und stöckelte mit
wackelndem Hintern aus dem Konferenzraum.

    Â 
    Am Nachmittag saß ich mit einer Tasse Kaffee in
meinem Büro. Ich versuchte, meine Gedanken wieder auf Jannas Hämatom zu lenken,
doch ich war nicht bei der Sache.
    Ungeduldig wartete ich auf meine Verabredung mit Danner
an der Stempeluhr, als Ramona an der Tür klopfte.
    Â»Hi«, sagte die Sekretärin. »Ich habe gerade diesen Brief
tippen müssen. Ich wollte ihn dir nicht ins Postfach stecken, deshalb dachte
ich, komme ich vorbei.«
    Sie hielt mir einen schlichten weißen Umschlag hin.
    Ich nahm das zusammengefaltete Blatt heraus:

    Â 
    Betreff: Kündigung innerhalb der Probezeit

    Â 
    Sehr geehrte Frau Ziegler,
    hiermit teilen wir Ihnen mit, dass wir das Arbeitsverhältnis
mit Ihnen innerhalb der sechsmonatigen Probezeit zum nächstmöglichen Zeitpunkt,
in Ihrem Fall nach Ablauf der zweiwöchigen Kündigungsfrist, beenden werden.
    Mit freundlichen Grüßen
    Katja A. Schrage, Leitung des Managements

    Â 
    Verblüfft las ich den Text noch einmal.
    Adolf kündigte mir.
    Â»Du leckst ihre Schuhe wohl nicht sauber genug. Tut mir
echt leid, Schätzchen.« Ramona zuckte die Schultern.
    Ich starrte auf die Tür, nachdem sie hinter der
Sekretärin zugefallen war.
    Da war ich in den Bewerbungsgesprächen wohl zu vorlaut
gewesen.
    So wie andere eine lästige Fliege totschlugen, hatte
Adolf mal eben meine Putzfrauenkarriere beendet.
    Ich kratzte mich am Kopf.
    Edith war gekündigt worden, Janna war auf dem besten

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