Hämatom
darauf zu
sehen war. Dann lieà ich das Blatt so erschrocken fallen, als hätte die Leiche
einer schon länger verwesenden Maus darauf gelegen.
Es segelte zu Boden und blieb mit der bedruckten Seite
nach oben liegen: Das Foto zeigte mich selbst.
Allerdings hatte ich mich nicht gleich erkannt, weil ich so
abgemagert war. Mit krankhaft schmalem Gesicht, groÃen, dunkel unterlaufenen
Augen und fettig-strähnigen Haaren sah ich aus wie ein Junkie.
Der Typ hingegen, an dessen Arm ich hing, war unverwechselbar:
Ozzy Osbourne, meine Discobekanntschaft mit dem Stachelhalsband für unartige
Hunde.
Sekundenlang konnte ich mir das Bild nicht erklären.
Danner wusste von der Sache mit Ozzy?
Wieso?
War er uns zufällig begegnet? Oder wusste er von dem Sex
und meinem Drogentrip?
Mein Blick fiel auf ein anderes Bild, das auf dem Boden
lag. Das Foto zeigte mich mit dem fetten Dealer, dem ich die Nüsse geknackt
hatte, weil er mir auf dem Klo an die Wäsche wollte.
Das gab es doch nicht!
Ich hob das nächste Blatt auf.
Danner hatte alles fotografiert. Alles. Ozzys Wohnung,
sämtliche Discos, in denen wir waren. Leute, von denen ich Drogen kaufte, das
Hochhaus, auf dem ich die Nacht verbracht hatte, das Krankenhaus.
Danner war überall dabei gewesen?!
Der Groschen polterte wie ein Pflasterstein, als er
endlich fiel: Von wegen Verfolgungswahn! Ich war tatsächlich nie allein
gewesen!
Auf dem FuÃboden unter einer Bierflasche und meiner
Unterhose entdeckte ich einen aufgeschlagenen Aktenordner. Entfernt erinnerte
die Mappe an eine von Danners Ermittlungsakten, wären die zerknickten Zettel nicht
schief eingeheftet und mit Bierflecken übersäht gewesen.
Ich hob die Akte auf und warf einen Blick auf den Pappdeckel.
Lila , stand da. 12.11.â
Das gab es doch nicht! Der ScheiÃkerl führte sogar eine
Akte über mich?
Ich schlug den ersten Zettel auf.
Telefonat mit Edith Möllering am 20.11.: Frau
Möllering will Beweise dafür, dass ihre Kündigung im Otto-Ruer-Klinikum im
September nicht gerechtfertigt war.
Es folgten Edith Möllerings Adresse und Telefonnummer.
Doch unter der Notiz stand: Auftrag abgelehnt .
Auf dem nächsten Zettel las ich: 03.12. Kontakt mit
Frau Möllering aufgenommen. Auftrag angenommen. Frau Möllering erwähnt, dass
der Hauswirtschaftsleiter des Klinikums in Altersteilzeit â
Am 03.12. war ich schon im Krankenhaus gewesen!
Ich begriff erst, dass die Dusche längst aus war, als Danner
mir die zerfledderte Akte aus der Hand nahm.
»Du hast den Auftrag von der verrückten Möllering nur
angenommen, damit du mir weiter nachschnüffeln konntest, du Sack!«, schrie ich
ihn an.
Er trug nur eine Unterhose, roch frisch gewaschen und
hatte den Bart bis auf das gewohnte, kratzige Stoppeln-Niveau gekürzt.
»Du schleichst mir seit Wochen hinterher! Ich hab gedacht,
ich werde verrückt, dabei bist du der Irre von uns beiden!«
»Ich würde sagen, durch die Aktion auf dem Dach hast du
immer noch Vorsprung«, konterte Danner. Er hob ein paar Fotos von mir auf und
lieà sie in den Papierkorb neben dem Bett fallen. »Ich kam nach Hause und du
warst weg. Du gehst nicht ans Telefon, und als ich dich finde, liegst du zugedröhnt
mit diesem Zeckenzüchter im Bett.« Er hielt mir ein Foto von Ozzy unter die
Nase, bevor er es ebenfalls in den Müll segeln lieÃ. »Das war nicht besonders
gut für meine Psyche, da liegst du richtig.«
Mir fehlten die Worte.
»Du kannst duschen«, sagte Danner, während er sich anzog.
»Ich organisier uns Frühstück.«
Er streifte sich einen schwarzen Rolli über den Kopf. »Kann
ich Molle sagen, dass er heute Mittag für zwei kochen soll?«
Ich nickte, immer noch sprachlos.
Â
Alles war beim Alten, als Danner und ich mittags
in Molles Kneipe hinuntergingen. Etwa ein Dutzend Tische mit rot karierten
Decken standen im Raum, FuÃballfotos an den Wänden, das Dartspiel, der Flipper,
der Tisch an der Theke, an dem Molle hinter der BILD-Zeitung hockte, als wäre
er in den letzten Wochen nicht einmal aufgestanden.
Auf jedem Tisch stand eine rote Kerze neben einem Tannenzweig
und in einer Ecke entdeckte ich einen Weihnachtsbaum aus Plastik.
Unsicher hielt ich inne. Auf einmal wollte ich am
liebsten umdrehen und abhauen.
Zu spät.
Der dicke Wirt sah sich bereits um.
Auch Molle hatte es anscheinend in letzter Zeit mit
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