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Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Titel: Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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plätschern, und über allem lag die Stimme des schwarzen Passagiers, kreischend, obwohl er leise sprach.
    ›Wie viele sind an Bord? Außer dir?‹
    ›Acht‹, schrie ich durch den Wind.
    Ich vernahm seine Worte eher in meinem Kopf als durch das Tosen des Wetters.
    ›Wie lange dauert die Überfahrt?‹
    Ich sagte ihm, dass sie drei Tage dauern würde, vielleicht vier, wenn die See so blieb; ich brüllte die ganze Zeit, während seine Stimme meinen Kopf füllte wie finsterer Nebel.
    Ich hätte ihm alles erzählt, was er wissen wollte, alles.
    Er legte seinen schrecklichen, haarlosen Schädel schräg und fixierte mich mit Augen, in denen kleine Lichter zu tanzen schienen – Lichter, die eine Lebendigkeit vorgaukelten, die nicht existierte.
    ›Dann wirst du der Letzte sein. Mein Lohn für deine Freun d lichkeit.‹
    Das Lachen, das er dann anschlug, füllt in manchen Nächten noch immer meinen Schädel, auch jetzt, Jahrzehnte später.
    Er drehte sich um und verschmolz mit der Dunkelheit.
    Meine Starre löste sich, und ich floh unter Deck, riss dabei fast unseren Soldaten um, der in Leibwäsche und Drillichmantel gekleidet war, aber keine Spuren von Müdigkeit zeigte.
    ›Was war das für ein Getöse?‹, fragte er mich. Mir fiel ein, dass wir mit ihm, dem Soldaten, neun waren, aber jetzt war es zu spät, das zu berichtigen.
    Ich griff ihn am Arm und zog ihn in seine Kajüte, einem Ve r schlag mit kleiner Koje unter er Treppe.
    Dann erzählte ich ihm alles.
    Ich tat es, um den giftigen Nebel in meinem Kopf los zu we r den.
    Aber ich verschwieg ihm auch etwas.
     
    »Was verschwiegen Sie ihm?«, fragte ich und drückte meine Zigarette aus.
    Das erste Mal sah der Mann nun wirklich alt aus; es schien, als würde er im Zeitraffer hinfällig, aber vielleicht hatte sich auch nur das Licht verändert.
     
    »Ich sagte ihm nicht, dass ich wusste, was passieren würde, wenn wir die Kiste an Bord ließen. Ich hatte es gesehen, als der schwarze Mann das erste Mal mit mir gesprochen hatte: Einen verzehrenden Schemen, der über nasse Bohlen wandelte und Seeleute mit sich in die Dunkelheit riss; ich sah Blut und Tod und faulige Erde, in der sich fahles Gewürm wand; ich sah das gierige Flackern in diesen Augen – über einer Nase, die das verrottete Blut eines toten Pferdes gerochen hatte.
    Deswegen hatte er unser Schiff gewählt, und ich hatte es g e wusst, auch wenn mir dieses Wissen wie ein ungewolltes Kind untergeschoben worden war.«
     
    Ich sah eine einzelne Träne, die sich ihren Weg über seine falt i ge Wange suchte.
    »Der menschliche Geist ist schwach, sieht man von seinem Vorstellungsvermögen ab. Und von seiner Fähigkeit, Dinge zu konservieren und zu speichern.«
    »Da haben Sie völlig recht«, bestätigte ich. Dann fragte ich b e hutsam: »Was geschah dann?«
    »Er holte sie alle. Allein in der ersten Nacht drei.«
    Er blickte sehnsüchtig zur zerknüllten Zigarettenpackung und fuhr fort:
    »Gollek und ich hockten in der Kajüte und lauschten die ganze Nacht hindurch, aber wir hörten nichts. Ich erzählte diesem mir eigentlich Fremden wieder und wieder, was ich gesehen hatte, und er hörte mir zu und wischte mit einem Lappen über die Klinge seines Säbels; vermutlich war das für ihn so tr ö stend, wie ein Gebet es für mich war.
    Wir schworen, uns gegenseitig zu beschützen, aber wir erwäh n ten mit keinem Wort die anderen, die allein und schutzlos von der Kreatur heimgesucht wurden, die ich auf das Schiff gela s sen hatte. Einer würde immer in der Nähe des anderen sein.
    Wir fanden keine Leichen, nur verwaiste Betten. Es herrschte keine Unordnung in den Kajüten, keine Spuren eines Kampfes, aber die Stille und die Leere der Behausungen brüllte uns an.
    Der Kapitän wirkte angeschlagen; er stand am Ruder, und seine Augen waren schwarz umflort.
    Als er mich ansah, wusste ich, das s er unseren unheimlichen Mitreisenden gesehen hatte; ich werde diesen Blick aus seinen fiebrigen Augen nie vergessen.
    ›Drei Mann fehlen, sagte er dumpf‹, und ich nickte, ohne ihn anzusehen.
    Es wäre die letzte Gelegenheit gewesen, um Verzeihung zu bitten – ihn oder die anderen.
    In der darauf folgenden Nacht holte der Unhold den Kapitän und noch einen, unseren Koch – und diesmal hörten wir es.
    Meine Zähne schlugen aufeinander, als ich die Schreie hörte, und auch wenn Gollek sich völlig unbeteiligt gab wusste ich, das s er es auch hören konnte . E s war ein Wimmern wie das eines Kindes – unschuldig, verstehst

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