Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)
in tiefe Niedergeschlagenheit zu stürzen. Ich hatte mich schon vorher denkbar mies gefühlt, doch sobald ich anfing, genauer über mein ganzes Elend nachzudenken, war es vorbei.
Die Szenen von vorgestern hatten sich unauslöschlich in mein Gedächtnis eingebrannt, und ich konnte einfach nicht aufhören, mich haargenau an jedes einzelne schmähliche Detail zu erinnern. Zuerst Serena mit Klaus, dann Serena mit Thomas. Und dann alle drei. Na gut, das Letzte hatte ich nur geträumt. Aber es hätte genauso gut tatsächlich passiert sein können. Dieser Person traute ich alles zu. Und Klaus und Thomas mittlerweile auch.
Komisch, früher hatte ich mir immer eingebildet, die beiden wären ganz normale, nette Männer. Fleißig, fröhlich, ein bisschen schüchtern im Umgang mit Frauen. Einfach das, was man gemeinhin unter einem lieben Kerl verstand. Und dann ließen sich beide an ein und demselben Abend von ein und derselben Schlange in Versuchung führen – und brachten damit kurzerhand zwei komplette Lebensplanungen zum Einsturz. Annabel war völlig vernichtet, so schlimm, dass ihr Verstand bereits litt, weil sie glaubte, sich einen Ersatzmann herbeigezaubert zu haben.
Ich war nicht ganz so daneben, aber viel fehlte nicht. Wenn Annabel auf der nach oben offenen Unglücksskala eine Zehn hatte, war es bei mir mindestens eine Sieben.
Ich war mit Thomas zusammen, seit ich denken konnte. Nun ja, vielleicht nicht ganz so lange. Aber fast. Immerhin seit meinem achtzehnten Lebensjahr. Während der Schulzeit war er ein ziemlicher Spätzünder gewesen und hatte sich noch bis zum Abi mehr für mittelalterliche Baukultur als für Mädchen interessiert. Aber auf dem Abiball hatte es dann endgültig zwischen uns gefunkt und seitdem gehörten wir beide zusammen. Na gut, es hatte ein paar Pausen in unserer Beziehung gegeben, einmal eine von zwei, einmal eine von drei Jahren. Und dann die letzte, die am längsten gedauert hatte, nämlich vier Jahre. Aber unterm Strich waren wir mindestens seit knapp zwei Jahren ein Paar. Das war wesentlich länger als all die anderen Geschichten, die ich zwischendurch so gehabt hatte.
Thomas war ganz anders als all die anderen Typen. Er war ehrlich, korrekt, ordnungsliebend und gründlich, und er setzte sich zum Pinkeln hin. Es machte mir nichts aus, dass er beim Sex nicht immer so konnte, wie er wollte, und dass er beim Zeitunglesen manchmal dieses komische Augenzucken hatte. Folglich musste es Liebe sein. Er war zwar nicht mein erster Mann gewesen, aber mein treuester. Und, was absolut entscheidend war: Wir hatten heiraten wollen! Es hätte die Hochzeit des Jahres werden sollen. Meine Planung war bereits so weit gediehen, dass ich mich dem Endstadium näherte. Ich hatte sozusagen alles komplett auf einer Art mentalem Reißbrett entworfen, jedes einzelne liebevolle Detail, und ich hatte dicht davor gestanden, die Theorie in die Praxis umzusetzen. Die Blumendekoration war so gut wie ausgewählt, dem Brautkleid hatte ich mich immerhin so weit angenähert, dass ich mich für eine bestimmte Kollektion entschieden hatte, und das Frackdesign stand sogar schon fest. In der kommenden Woche hatte ich die ersten Einladungskarten fertigen wollen. Ich hatte Thomas einen Stapel Broschüren mit einer Auswahl zauberhafter Eheringe ausgehändigt, schließlich hatte er in dem Punkt ein Mitspracherecht. Zumindest hatte er es gehabt – bis vorgestern.
Dieser Widerling! Er hatte mir mit der abartigen Nummer von vorgestern Abend viel mehr verdorben, als er sich überhaupt vorstellen konnte! Ich rieb mir wütend über das Gesicht und wischte die Tränen weg. Wieso konnte ich nicht aufhören mit der blöden Heulerei? Wem brachte das noch etwas?
Die Bremsen an meinem Wagen quietschten misstönend, als ich vor der Metzgerei anhielt. Eigentlich wäre dieses Jahr ein neueres Auto fällig gewesen, aber nachdem ich einen Teil meiner Ersparnisse für die Einrichtung meines neuen Büros aufgebraucht hatte, musste ich weiter mit meinem alten Polo durch die Gegend fahren. Der andere – größere – Teil meines Geldes war für eine Investition draufgegangen, über die ich nicht mehr nachdenken wollte. Mein Vater behauptete immer noch, dass die Rendite uns eines Tages zu Millionären machen würde, aber bis es so weit war, musste die arme Prinzessin zuerst einen Haufen Stroh zu Gold spinnen. Oder Rumpelstilzchen auf andere Weise überlisten. Doch dazu würde es natürlich niemals kommen. Wie auch immer, ich hatte zum Glück
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