Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)
die gehen echt schnell. Das müsstest du doch am besten wissen.«
Er wankte wie nach einem Schlag. Sein Gesicht war jetzt nicht mehr rot, sondern so weiß wie sein Hemd. Einen Augenblick lang tat er mir Leid, und am liebsten hätte ich ihm gesagt, wie es wirklich war. Doch dann dachte ich an die arme Annabel und an das, was der Abstecher in die Besenkammer mit ihrer Psyche angerichtet hatte, und ich verkniff mir jeden weiteren Kommentar. Sollte Klaus doch sehen, wie er mit dieser neuen Situation fertig wurde. Manchen Leuten tat es ganz gut, wenn sie mal eine Portion von eben jener bitteren Medizin zu schlucken kriegten, die sie vorher bedenkenlos ihren Mitmenschen verpasst hatten.
Dass in diesem Moment die Türklingel ging, war für mich ein willkommener Anlass, Klaus loszuwerden. »Das ist Kundschaft. Wenn ich dann bitten darf …«
Er nickte ruckartig und ging mit steifen Schritten wie ein aufgezogener Roboter zur Tür. Als er sie öffnete, kam die Kundin herein, mit der ich vor ein paar Tagen einen Termin vereinbart hatte.
Sie betrachtete Klaus mit hochgezogenen Brauen. »Bin ich zu früh? Haben Sie noch eine Personalbesprechung?«
»Nein, wir waren gerade fertig. Bitte kommen Sie herein, gnädige Frau. Wiedersehen, Klaus.«
*
Während Klaus sich mit glasigem Blick und mechanischen Bewegungen in Richtung Treppe entfernte, betrat die Kundin mein Büro und schloss die Tür hinter sich.
Bis jetzt wusste ich nicht viel von ihr. Sie hieß Marie-Luise von Fleydensteyn ( » Nein, nicht van, sondern von. Und Fleydensteyn bitte mit zwei Ypsilon, genau wie das Schloss Fleydensteyn « ) . Ich hatte keine Ahnung, wo Schloss Fleydensteyn lag, aber das spielte im Augenblick auch keine Rolle. Allein entscheidend war die magische Zahl, die sie mir gleich bei unserem ersten Telefonat ins Ohr gesäuselt hatte. Sie lautete: eine Viertelmillion. Das waren eine Zwei und eine Fünf mit vier hübschen fetten Nullen dran. Zweihundertfünfzigtausend. Euro, wohlgemerkt. Mehr Geld, als ich mir auf einem Haufen vorstellen konnte. Für dieses Geld kauften andere Leute sich ein Reihenhaus. Noch andere Leute legten sich dafür vielleicht einen Rolls Royce zu. Und wieder andere Leute gaben es für eine einzige Hochzeit aus. Wie zum Beispiel Marie-Luise von Fleydensteyn. Nicht für ihre eigene, sondern für die ihrer Tochter. Die heiratete erst zum zweiten Mal, und da sollte es doch wirklich eine nette Feier sein, schon wegen der Leute. Die sollten schließlich sehen, dass man sich nicht verschlechterte. Es war wichtig, alles in diesem Bereich Vorangegangene zu toppen.
Sie selbst, also Marie-Luise, hatte schon viermal geheiratet und wusste, wovon sie redete. Vier Hochzeiten und kein Abnutzungseffekt, denn sie fand es immer noch toll.
»Es hat so was herrlich Romantisches«, hatte sie am Telefon geschwärmt. »Und außerdem macht es solchen Spaß! Allein das Aussuchen der Garderobe – ich könnte mich wochenlang da reinknien! Ich beneide Sie um Ihren wunderbaren Beruf! Wenn ich nicht so viel im Rotary-Club und mit der Dekoration meines Heims zu tun hätte – ich wäre Hochzeitsplanerin geworden!«
Mit fünf Hochzeiten im Rücken – vier eigenen und einer von ihrer Tochter – war sie sozusagen vom Fach, ein Handicap, das es mir nicht gerade einfach machen würde. Doch ich traute mir zu, auch gehobenen Ansprüchen gerecht zu werden. In dem Fall hieß die Devise eben nicht wie sonst viel Show für wenig Kohle, sondern klotzen statt kleckern. Es war das erste Mal, dass ich nicht auf jeden Euro schauen musste, und ich war entschlossen meine Sache gut zu machen. Noch hatte ich den Auftrag nicht, das war der Haken an der Geschichte. Ich sollte zuerst einen Entwurf vorlegen, eine Art Exposé für alle Vorbereitungen, die Zeremonie und die anschließende Feier, das ganze Paket eben. Nach Ablieferung meiner Planungsmappe würde sich dann entscheiden, ob ich die Ausführung übernehmen würde.
Ich hatte Marie-Luise darauf hingewiesen, dass ich bei einer Hochzeit dieser Größenordnung die Grobplanung nur gegen Erhebung eines Unkostenbeitrages von fünf Prozent des anfallenden Gesamthonorars würde erstellen können – es war schließlich eine Menge Kreativität und Zeit erforderlich, sich all diese Dinge auszudenken –,
doch Marie-Luise hatte nur lässig gemeint, dass das ja wohl selbstverständlich sei. Von dieser Meinung war sie auch nicht abgewichen, als ich ihr erklärt hatte, dass sich das Gesamthonorar an dem Gesamtkostenaufwand für
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