Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)
professionelles Auge erkannte sofort, dass er keinen Ehering trug. Ob er schon mal irgendwann ans Heiraten gedacht hatte? Ich schätzte ihn auf Anfang dreißig. In dem Alter hatten die meisten Männer schon mindestens eine längere feste Beziehung hinter sich, und ein hoher Prozentsatz war entweder verheiratet oder stand kurz davor. Das war ein Erfahrungsgrundsatz. Vielleicht war er ja doch ein potenzieller Kunde. Ich musste an meine Zukunft denken. Dass bei mir privat alles mehr oder weniger in die Binsen gegangen war, stellte noch lange keinen Grund dar, auch beruflich die Segel zu streichen, oder? Von irgendetwas musste ich schließlich leben.
»Wenn Sie dann vielleicht doch mal irgendwann heiraten möchten – ich stehe jederzeit zur Verfügung.«
Er verschluckte sich an seinem Kaffee und stellte die Tasse ab.
»Soll ich Ihnen auf den Rücken klopfen?«, fragte ich besorgt.
Hustend schüttelte er den Kopf. »Es geht schon wieder.«
Für mich war das Thema noch nicht erledigt. »Eine Hochzeit bedarf langwieriger Vorarbeiten. Am besten fängt man schon sechs Monate vorher mit der Planung an, wenn man keine unangenehmen Überraschungen erleben möchte. Haben Sie vor, in nächster Zeit zu heiraten?«
»Nun, ähm, nicht wirklich.« Zwischen seinen Brauen bildete sich eine steile Falte, die seinem ansonsten heiteren und offenen Gesicht einen grüblerischen Ausdruck verlieh.
»Manche Leute heiraten ganz spontan«, sagte ich.
»Sie meinen, Las Vegas und so?«
Ich zuckte die Achseln. »Zum Beispiel.«
»Für mich besteht das eigentliche Problem an der ganzen Heiraterei darin, dass es ein Spiel auf Zeit ist. Schnell gefreit, lang bereut.«
Ich hatte das Sprichwort anders in Erinnerung, aber bevor ich den Mund öffnen konnte, um ihn zu verbessern, fuhr er nachdenklich fort: »Wissen Sie, dass beinahe die Hälfte aller Ehen hier zu Lande geschieden wird?«
»Ja, also … das ist irgendwie relativ, finde ich. Wenn man heiratet, macht man sich doch keine Gedanken über eine Scheidung! Dann könnte man es doch gleich ganz lassen!«
»Damit haben Sie vollkommen Recht«, meinte Sven schlicht. »Obwohl ich das als Anwalt natürlich völlig anders sehe.«
»Ich wusste gar nicht, dass Anwälte so romantisch sind.«
Er musterte mich überrascht, dann lachte er mit blitzenden Zähnen. »Guter Witz.«
Gegen meinen Willen betrachtete ich ihn fasziniert. Wenn er lachte, sah er plötzlich aus wie ein verschmitzter Junge. Verwegen, übermütig und verwirrend attraktiv.
Ich merkte, dass sich allmählich ein fragendes Schweigen zwischen uns ausbreitete, und beeilte mich, etwas Geistreiches und gleichzeitig Nettes von mir zu geben.
»Es ist toll, dass Sie so schnell hergekommen sind. Ich hatte keine Ahnung, dass Anwälte so kurzfristig Termine freihaben. Und, ähm, dass Sie Hausbesuche machen, finde ich auch irgendwie schön. So … menschlich.«
»Na ja, ich wollte schon längst mal hier vorbeischauen, aber es hatte sich bisher nicht ergeben. Dann habe ich Sie vorgestern zufällig auf dieser Feier getroffen, und da dachte ich, dass ich endlich Nägel mit Köpfen mache. Wird ja auch Zeit, dass ich mich selbst drum kümmere. Die ganzen Arbeiten sollen ja auch nachher schon losgehen, und es versteht sich von selbst, dass ich dann an Ort und Stelle sein möchte.«
Irgendetwas klang komisch an seiner Antwort, und während ich noch überlegte, was es war, ging die Tür auf, und Annabel kam in die Küche spaziert. Ich schaute unwillkürlich auf Svens Armbanduhr – es war die einzige, die in der Nähe war – und stellte dabei zweierlei fest. Erstens war Annabel zehn Minuten früher als erwartet fertig geworden und zweitens war es fast halb eins. Mittags.
Der Chef-Möbelpacker lugte um die Ecke. »Wir wären dann fertig. Alles wieder so hingestellt, wie es war. Oder jedenfalls so ungefähr.« Er bedachte Sven mit schrägen Blicken und verkrümelte sich eilig in Richtung Haustür.
»Wieso haben Sie den Umzug so kurzfristig gestoppt, wenn ich fragen darf?«, fragte mich Sven. Mit einem Mal wirkte er ziemlich beunruhigt. »Meinen Sie, dass Sie auf die Schnelle noch jemand anderen finden, der das erledigt? Ich meine – heute noch? Waren Sie mit der Firma nicht zufrieden?«
Das klang in meinen Ohren erst recht komisch, und das merkwürdige Gefühl, dass hier irgendetwas nicht stimmte, gewann allmählich die Oberhand.
Annabel gab ein hohl klingendes Lachen von sich. »Wir waren mit der Firma nicht zufrieden«, echote sie. »Mit
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