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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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konnte nicht getrennt werden, von nichts und niemandem.
    Die Hitze des kleinen Feuers schien sich in Ellies Körper ausgebreitet zu haben. Ihr war plötzlich heiß. Sie wäre so gern aufgesprungen und zu ihrem Hans gelaufen. Aber das ging nicht, sie musste noch warten. Solange die Männer noch da waren, durfte sie es nicht versuchen. Diese Männer
waren gefährlich, sie durfte ihnen nicht zu nahe kommen. Aber die Zeit war auf ihrer Seite. Irgendwann würden sie gehen. Sie musste nur warten, geduldig sein. So viele Jahre hatte sie gewartet, da machten zwei oder drei Tage keinen Unterschied.
    Wieder lächelte Ellie Brock, nahm einen Ast und schürte damit das heruntergebrannte Feuer.

Samstag
    Der Whiskey und die verkrümmte Schlafposition auf der Couch waren die Foltermeister des beginnenden Tages. Welcher von beiden sein Handwerk besser beherrschte, vermochte Sebastian nicht zu entscheiden, als er eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang erwachte. Sein Gehirn presste sich druckvoll gegen die Schädelhülle, seine Augen schienen platzen zu wollen. Im Mund spürte er einen pelzigen Belag, der sich bis in den Magen fortsetzte. Als er sich langsam zu regen begann, rebellierten Muskeln am ganzen Körper. Mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht und zusammengebissenen Zähnen schaffte Sebastian es, sich aufzusetzen. Auf der Kante der Couch war aber schon wieder Schluss, zu weiteren Anstrengungen ließ sein Körper sich nicht überreden. Also saß er da, hielt seinen pochenden Kopf in den Händen und schluckte mühsam den Drang hinunter, kotzen zu müssen.
    Zeit war in diesem Zustand unerheblich, und so vergingen sicher zehn Minuten, in denen er sich Vorwürfe machte, weil dies doch der Tag war, an dem er Saskia aus dem Krankenhaus zu sich auf den Hof holen durfte. Da machte es sich sicher gut, wenn er total verkatert, schlecht gelaunt und schweigsam im Krankenhaus auftauchte. Sebastian verfluchte sich für sein Verhalten. Es war aber geschehen, nicht mehr zu ändern, also musste er einen Weg finden, wieder in Form zu kommen. Und zwar so schnell wie möglich!

    Noch auf der Kante der Couch hockend und dem allmorgendlichen Konzert der Vögel lauschend, wurde ihm klar, dass es nur einen Weg gab, wieder zu sich selbst zu finden, sein Inneres in Gleichklang zu bringen. Immer wenn in seinem Leben etwas schief oder aus dem Ruder gelaufen war, immer wenn sein Kopf hatte aufgeräumt werden müssen, hatte er Falco gesattelt und war mit ihm durch die Wälder geritten. Keine Therapie der Welt konnte seiner Psyche, die ebenfalls deutlich angeknackst war, mehr helfen, keine noch so kalte und lange Dusche würde seinen Kopf klarer spülen. Und die Muskeln wären nach einem Ritt ebenfalls wieder locker.
    Also, was gab es noch zu überlegen? Die Zeit hatte er; es war gerade mal halb sechs, vor zehn Uhr durfte er Saskia ohnehin nicht abholen. Falco wartete sicher sehnsüchtig auf einen kleinen Ausflug. Allerdings waren seine Bewacher dagegen, das wusste Sebastian. Durfte er sie einfach übergehen, sich still und heimlich vom Hof schleichen? Hatten sie ihm überhaupt Vorschriften zu machen? Wahrscheinlich nicht. Andererseits war er auf ihre Hilfe angewiesen. Ach, scheiß drauf! Wenn sie gehen wollten, sollten sie es doch tun! Ellie Brock würde sowieso nicht wieder hier auftauchen, solange die beiden sich auf dem Hof herumtrieben.
    Sebastian drückte sich mühsam hoch, bekämpfte Schwindel und Übelkeit, stolperte ins Bad, spritzte sich minutenlang kaltes Wasser ins Gesicht, kämmte sein zerzaustes Haar und zog sich Reitkleidung an. Als er vor die Tür trat, schlenderte einer seiner Bewacher bereits rauchend über den Hof. Bis eben hatte Sebastian gehofft, die beiden würden noch schlafen. Er hatte ihnen eines der beiden Gästezimmer zur Verfügung gestellt, in dem es zwei gemütliche
Einzelbetten gab, aber offensichtlich nahmen sie ihren Schichtdienst auch dann ernst, wenn ihr Chef ihnen nicht über die Schulter sah.
    »Morgen«, sagte der Mann.
    Er hatte sich Sebastian vorgestellt, doch der Name war nicht haften geblieben. Ein breitschultriger, höchstens dreißigjähriger, gut aussehender Typ, der Selbstbewusstsein ausstrahlte. Für die frühe Zeit wirkte er erstaunlich wach. Sebastian wusste sofort, dass er ihm in einer verbalen Auseinandersetzung nicht gewachsen war. Nicht jetzt und in diesem Zustand.
    »Was haben Sie vor?«, fragte der Beamte.
    »Eines der Pferde bewegen«, sagte Sebastian knapp und wollte an ihm vorbei.
    »Wir waren uns doch

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