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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Dass wir zusammenbleiben?«, fragte sie.
    Sebastian strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. Dabei spürte er das harte Gewebe der Narbe unter dem Haaransatz. »Es gibt nichts, was ich mehr will.«
    Von unten herauf sah sie ihn an. So tief und lange, dass ihr Blick in seinem Bauch für Aufruhr sorgte. »Vielleicht sagst du das auch nur, weil … weil das alles passiert ist und weil du jetzt nicht allein sein willst. Aber was ist in ein paar Monaten … oder Jahren?«
    Sebastian schüttelte den Kopf. »Ich sage es, weil ich dich liebe. Ich habe dich vom ersten Augenblick an geliebt, daran werden ein paar Monate nichts ändern … und Jahre auch nicht.«
    Ob Saskia darauf etwas antworten wollte, erfuhr Sebastian nicht mehr. Ein besonders harter, trockener Donnerschlag, ein Nachzügler, ließ sie beide zusammenzucken. Als sein Echo über dem Tal abrollte, beugte Sebastian sich zu ihr hinab und küsste sie.
    Sie warteten noch ein paar Minuten, bis das Gewitter weitergezogen war, dann gingen sie ins Bad, zogen sich aus und stiegen gemeinsam unter die Dusche. Unter den prickelnden Strahlen des Duschkopfes seiften sie sich gegenseitig ein, ließen ihre Hände über ihre Körper gleiten, bis die Lust kaum noch zu bändigen war. Nackt und nass
liefen sie ins Schlafzimmer hinüber. Dort liebten sie sich, während in der Ferne das letzte Donnergrollen verschwand. Völlig erschöpft schliefen sie danach ein. Weder Sebastian noch Saskia dachten daran, dass die Haustür nicht abgeschlossen war.
     
    »Neiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiin!«
    An den massiven Steinwänden prallte Ellies markerschütternder Schrei ab und durchflutete die Höhle. Aus der Tiefe ihrer Seele hatten sich Wut und Enttäuschung einen Weg gesucht, gepaart mit wachsender Verzweiflung und Angst. Ja, Angst! Seit langer Zeit empfand sie wieder Angst. Angst davor zu versagen, ihr Ziel nicht zu erreichen, all die Jahre umsonst gewartet zu haben.
    Das Fieber und das schmutzige Blut in ihrem Körper behinderten den Fluss des Geistes. Sie war nicht gesund, nicht stark genug für die Entfernung zu Hans. Sie musste näher heran. Hier in der einsamen Höhle war sie eine Gefangene in ihrem eigenen Körper. Derart eingesperrt hatte sie sich selbst in den langen Jahren in der Anstalt nie gefühlt, denn dort hatte die alte Seibya ihr gezeigt, wie einfach es für Wissende war, den eigenen Körper zu verlassen, sich nicht von Wänden oder Gitterstäben aufhalten zu lassen.
    Als ihr Schrei im Fels des Adlerrückens versickert war und Stille in die Höhle zurückkehrte, grollte draußen abziehender Donner gegen den Berg. Ellie schlug die Blutschale beiseite, stand ruckartig auf, spürte Schwindel in ihren Kopf aufsteigen, schwankte zum Höhlenausgang und trat den schützenden Ilex beiseite. Von ihrem Standpunkt, mehrere Meter über den Wipfeln der Bäume, hatte sie freien Blick auf den See. Die Wasseroberfläche wurde noch
gekräuselt von Regen und Wind, doch beides ließ schnell nach. Gegen Westen sah sie die abziehende Rückseite des Unwetters. Eine tiefschwarze Wand, in der immer wieder Blitze zuckten. Dahinter war der Himmel ein wenig heller, doch die hereinbrechende Nacht würde dieses schwache Licht bald verlöschen lassen.
    Ellie stützte sich an der Felswand ab. Ihr Herz ging schnell und unregelmäßig. Zum einen wegen des Fiebers, zum anderen und vor allem aber, weil sie erkannte, dass dies die Nacht war. Die eine Nacht! Sie konnte nicht länger warten. Sie musste dieses Risiko eingehen. Ihr Körper zwang sie dazu. Heute Nacht würde die Vereinigung stattfinden.
    »Heute Nacht … heute Nacht … heute Nacht …«, flüsterte sie immer wieder und spürte, wie dieses Mantra ihren Herzschlag verlangsamte.
    Noch war ein wenig Licht zwischen den Bäumen, noch würde sie ohne Schwierigkeiten durch den Wald finden. »Heute Nacht … heute Nacht … heute Nacht …«
    Nichts und niemand konnte sie noch aufhalten. Da draußen, jenseits des Hügels und der Baumwipfel, wartete ihr Hans. Ihr kleiner Hans. Ihr Hänschen klein.
     
    Buster, der Bloodhound, hatte tatsächlich eine Fährte entdeckt! Am Rand des Parkplatzes der Bäckerei waren Derwitz und Triefbach durch das nasse Gebüsch gekrochen und hatten eine Stelle ausfindig gemacht, an der das Gras runtergedrückt und einige Zweige aus dem Unterholz herausgebrochen waren. Von genau dieser Stelle aus hatte der trotz seines Namens gutmütig aussehende Hund losgelegt. Mit tiefer Nase folgte er der Fährte seit einer halben Stunde durch

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