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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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und gaben den Blick frei auf den Leichnam.
    Keine zwei Meter stand Uwe entfernt von dem, was einmal sein Freund Edgar Schneider gewesen war. Lange hielt er dem Anblick nicht stand. Hastig drehte er sich weg und übergab sich in das Blumenbeet neben dem Haus. Noch während er gebückt und mit brennendem Hals dastand, fiel ihm ein, wie leicht angreifbar er jetzt war. Ein letztes Würgen, dann richtete er sich auf, wischte sich den Mund ab und entsicherte die Waffe.
    Noch einen Blick auf den zerfledderten Leichnam wagte er nicht, wandte sich stattdessen der Haustür zu, die schief in den Scharnieren hing, zu Sägespänen verwandelt dort, wo sich einst das Schloss befunden hatte. Uwes Beine zitterten immer stärker, und auch der Arm, welcher die Waffe hielt, war alles andere als ruhig. Sein Herz trommelte, sein Atem flog. Er würde niemanden mit der kleinen Automatik treffen, wenn er sich nicht beruhigte.
    Plötzlich ein Geräusch in seinem Rücken! Er zuckte herum. Die Krähen kamen schreiend zurück, gruben bereits wieder ihre Krallen ins Fleisch, begannen dort zu picken, wo sie bereits große Löcher gerissen hatten. Unersättlich waren sie, gierig, kalt und erbarmungslos. Uwe streckte die Waffe zum Himmel und gab einen Schuss ab. Lärmend stiegen die Krähen auf. Sollte der Täter sich noch im Haus befinden, so war er jetzt gewarnt, doch das war Uwe egal. Er konnte seinen Freund nicht diesen hässlichen Aasfressern überlassen.
    Schweiß lief ihm brennend in die Augen, als er sich erneut auf das Haus konzentrierte. Er betrat die Diele.
    »Anna!«, rief er laut.

    Das Haus antwortete mit einem gedämpften Echo. Ein lebloser, grausamer Laut.
    »Anna!«
    Nichts. In der Küchentür lag ein zerstörtes Telefon auf dem Boden. Auf dem Weg dorthin überprüfte Uwe sämtliche Räume im Untergeschoss. Sie waren alle verwaist. Als er die Küche betrat, fiel ihm sofort der Esstisch auf, an dem er noch vor zwei Tagen gesessen hatte. Er begriff nicht, was er dort sah.
    Heruntergebrannte Kerzenstummel standen zu einem Kreis formiert. In dem Kreis war etwas mit dunkler Farbe auf die Tischplatte gemalt. Dreiecke, Kreise, Wellenlinien. Uwe ging näher heran. Ohne die Linien auf der Tischplatte berühren zu müssen, wusste er, dass sie mit Blut gezeichnet waren. Mit einem Schaudern wandte er sich ab.
    Was war hier nur geschehen?
    Das Obergeschoss!
    Vielleicht hatte Anna sich dort versteckt oder lag verletzt in einem der Zimmer. Vorsichtig, immer wieder nach unten sichernd, stieg er die Treppe hinauf. Seine Hoffnung schwand, als er sah, dass auf dem oberen Flur sämtliche Türen offen standen. Hier hatte bereits jemand gesucht.
    Uwe kontrollierte jeden Raum. Noch bevor er den letzten erreichte, stieg ihm der metallene, unverkennbare Geruch von Blut in die Nase. In der geöffneten Tür blieb er stehen. Aus dem kleinen Raum war das Vorzimmer zur Hölle geworden. Der Boden war bedeckt mit Daunen federn, viele davon rot eingefärbt. Sie lagen überall, klebten sogar an den Wänden und an der Decke. Als Klebstoff diente geronnenes Blut. Die aufgerissene Matratze war vom Bett gestoßen worden, der Lattenrost darunter zum Teil zerfetzt. Uwe hielt den Atem an und ging zum Fußende des Bettes.
Durch den Lattenrost sah er die Gestalt darunter. Ob es sich dabei um Anna handelte, konnte er nicht erkennen.
    Sein Verstand setzte aus, sein Magen zog sich abermals schmerzhaft zusammen. Er schaffte es gerade noch bis vor die Haustür, ehe er sich ein zweites Mal erbrach.
     
    Das unsagbar Böse war über Nacht über den Schneiderhof hereingebrochen. Es hatte eine ehedem friedliche Welt in etwas völlig anderes verwandelt, und eine Rückkehr in den Urzustand war nicht mehr möglich – niemals! Eine Stunde nach seiner Entdeckung war sich Uwe Hötzner sicher, diese Bilder für den Rest seines Lebens nicht mehr aus dem Kopf zu bekommen. Vielleicht würden sie irgendwann blasser werden, vielleicht würden sie ihren Schrecken einbüßen, aber verschwinden würden sie nicht. Nichts davon, das hatte er sich geschworen, sollte Sebastian Schneider zu sehen bekommen. So grausam das Schicksal in dieser Nacht auch gewütet hatte, so war es doch mitfühlend genug gewesen, nicht den Jungen seine Eltern finden zu lassen.
    Uwe wusste nicht, wo sich der Junge aufhielt. Wahrscheinlich war er bei seiner neuen Freundin, von der Edgar berichtet hatte, die junge Dame, die ihm ins Auto gefahren war. Da er Sebastians Handynummer nicht kannte und im Haus auch keine gefunden

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